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Unverhofft kommt (nicht) oft

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Reise durch die Zeit

Wir wissen wenig und erwarten nichts von diesem kleinen Örtchen, das ebenfalls an der Küste liegt, aber gerade mal 15.000 Einwohner vorzuweisen hat. Und es geht auch schon gut los, als wir die gebuchte Unterkunft nicht finden. Kein Hotelschild nirgendwo unter der angegebenen Adresse. Bis klar wird, es gibt kein Hotel.

Die 80 qm, die wir für einen Sparpreis gebucht haben, sind eine Wohnung. Und was für eine! Geschmackvoll eingerichtet. Altenglischer Landhaus-Chique. Zentral gelegen. Ein Unikat unter den bisherigen, unzähligen, verwechselbaren Unterkünften.Die Gemahlin will gleich einen Mietvertrag für drei Jahre unterschreiben. Leider reicht unser Visum nicht so lange.

Zum Glück verschanzen wir uns nicht hinter der gemütlichen Häuslichkeit, sondern wagen unser Glück, trotz sehr wechselhaftem Wetter - und erforschen den Ort. Die nächste Überraschung. Die Stadt hat ihre besten wirtschaftlichen und politischen Zeiten hier sich, ihren Charme aber trotzdem erhalten. Offensichtlich hat hier jemand erkannt, dass genau darin das Kapital für Geschäfte mit Touristen liegt.

Eine beeindruckende architektonische Kulisse wie aus einem Historienstück aus viktorianischen Zeiten ist das Markenzeichen Oamarus. Vor allem das ehemalige Hafenviertel ist besonders auf die Bedürfnisse von Besuchern ausgerichtet worden. Die Geschäfte und Läden entlang der alten Gebäude passen sich dem morbiden Charme der Kulisse an und präsentieren sich wie ein eigener „dernier cri“.

Die abgefahrensten Sachen finden sich hier. Etliches davon kommt anderswo ins Museum. Ein Buchladen bietet ausschließlich Bücher zu Abenteuern und Expeditionen an. Alle Zeiten, alle Kontinente. Das Ambiente des Ladens allein ist grandios. Der Chronist verliert sich zunächst in den Regalschluchten und findet sich dann selber wieder in der Abteilung „Flying“ und „Aviation“. Er zieht das Buch eines alten Bekannten aus dem Regal.

Leo Dickinson, Engländer, Ballonfahrer, Bergsteiger, Fallschirmspringer und Filmemacher.

Ich hatte 1991 in Südafrika das große Vergnügen, zusammen mit Leo zu springen. Damals noch jung und faltenfrei, hat mich Leo auf einem Skysurf-Board gefilmt und fotografiert. Inzwischen sehe ich selbst so alt aus, wie Leo damals bereits war. Nun gehöre ich selbst zu den alten Männern mit Bart und mit Erinnerungen. Immerhin, Erinnerungen sind etwas, die einem kein Alter nehmen kann. Vorausgesetz man hat welche.

Bevor weitere Überlegungen in diese Richtung zu trüben Gedanken führen, holt die Angetraute den Erzähler zurück ins Hier und Jetzt. Immer wieder fordert sie Übersetzungshilfe an, um sicherzugehen, auch kein Schnäppchen am Wegesrande der Sprachbarriere wegen zu übersehen.

Obwohl ihr Wortschatz gute Fortschritte macht. Das liegt vor allem daran, dass der Chronist jede Gelegenheit nutzt, die Englischkenntnisse seiner Angetrauten zu fördern. Im Restaurant verschwindet er auf Toilette, damit sie den Bestellvorgang allein abwickeln muss. An einsamen Rastplätzen, weit entfernt bis zu nächsten Stadt, „vergisst“ er sie gerne mal und aktiviert damit nicht nur die Entwicklung ihres Wortschatzes, sondern zusätzlich ihren unterdurchschnittlich ausgeprägten Orientierungssinn.

Es ist immer wieder herzerfrischend, wenn sie es allein zurückgeschafft hat und dann ihren geliebten und auf sie sehr stolzen Mann in fliessendem Englisch, fehlerfrei und ohne Akzent mit „I kill you!“ begrüsst. Wie sehr diese kleinen didaktischen und pädagogischen Lerneinheiten fruchten, sehen wir gemeinsam mit grosser Freude in Oamaru. Mit einer geringen Fehlerquote übersetzt sie ein Schild, das eine philosophische Botschaft preisgibt, für jeden der (englisch) lesen kann: „Jeder Laib Brot erzählt die tragische Geschichte einer Gruppe von Getreidekörnern, die Whiskey hätten werden können. Es aber nicht wurden…“

Die Frau brauch nur 10 Minuten, die kleine Geschichte zu entschlüsseln und ist stolz auf sich. Ihr angeheirateter Sprachcoach ebenfalls. Aus der Praxis für die Praxis lernen. Der Gatte trägt nicht umsonst den Titel eines Dipl.Päd. (Diplompädagoge, Abschluss 1982).

Der nächste Tag bringt statt wechselhaftem schottischen Novemberwetter reinste Karibik über den Ort. Die Sonne brennt herab. Das zuvor grau-grüne Wasser strahlt türkis. Wir spazieren zur Blue Penguin Colony und stossen zum dritten Mal auf Ines und Jürgen, die beiden Weltenbummler, mit denen wir seit Invercargill in Kontakt stehen.

Bei schönstem Wetter schaffen die Zwei ganz routiniert eine gemütliche Vorgarten-Atmosphäre neben ihrem Reisemobil. Stühle, Klapptisch, Kaffee und Kekse. Wir unterhalten uns angeregt und kurzweilig und sonnen uns ein wenig mit im Licht der beiden Abenteurer. Die Zeit verfliegt und bevor die Zwei auch noch einen Grill aufstellen und wir gemeinsam den Feierabend einläuten, brechen wir auf. Wir müssen noch weiter bis nach Timaru.

Wir verlassen Oamaru mit dem Gefühl, es hier noch viel länger aushalten zu können. Die Gemahlin hat bereits sorgfältig die Immobilienpreise studiert. Die Preise hier reichen denen in Berlin nicht mal bis zu den Knöcheln. Die kleine Rote kramt den Kalender vor und versucht die Resttage bis zur Verrentung zu errechnen. Es ist eine große Zahl. Und die macht sie sehr nachdenklich.

 

Keine Pinguine - die Zweite


Was haben Pinguine und sozialer Wohnungsbau miteinander zu tun? In Oamaru so einiges, wie wir bald erfahren werden. Die Pinguine hier sind nicht einfach nur Pinguine, sondern BLAUE Pinguine. Es wird ein Riesenaufwand betrieben, damit sich die Tiere hier willkommen fühlen und in Ruhe brüten können. Der Weg vom Ufer bis zur von Menschen angelegten Pinguinsiedlung (alles Flachbauten, Bungalow-Stil) ist eingefasst von zwei Tribünen, zwischen denen die flugunfähigen Wasservögel Formel-1 mässig zu ihren Behausungen watscheln können, um den schönsten Nistplatz zu belegen.

Doch auch hier vor Ort bequemen sich die kleinen Tierchen erst zum Abend hin, den Pazifik zu verlassen und das Ufer zu erklimmen. So lange wollen und können wir nicht warten. Auf dem Rückweg sehen wir dann durch Zufall, dass eine Höhle besetzt ist. Man muss schon sehr genau hinsehen, um das zu erkennen. Wir winken ihnen fröhlich zu. Sie winken nicht zurück. Dann eben nicht.

Kochmaus kommt angesichts der VIP-Behandlung der Zwergpinguine auf neue Ideen. Sie fühlt sich in Berlin als Kochmaus schon lange diskriminiert und fordert nun sofortige Mietpreisdeckelung für sich und ihresgleichen sowie freien Zugang zum Strand.

Vergiss es, Kochmaus!

Und so beschloss sie, Pinguin zu werden.

Oder sich zumindest mit einem zu verloben.

 

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