Time to Dance Good Bye
von Simone Keil (Kommentare: 1)
Am Mittwoch, den 05. April 2023, ist unser letzter Tag an Bord. Während die Sonne aufgeht, erreicht unser Schiffchen den Ankerplatz vor der peruanischen Stadt Pevas. Das laute Geräusch der rasselnden Ankerkette kennen wir inzwischen schon zur Genüge, so weckt sie mich auch diesmal.
Beim Frühstück hören wir die Durchsage des Kapitäns, dass wir den Ort Pevas heute leider nicht wie geplant besuchen können. Eine Insel ist im Weg. Eine Insel, die vor 5 Jahren noch nicht hier war, und durch deren Umfahrung der Weg nach Pevas sich mit den Zodiacs als unmöglich erweist. Wir fahren aber - wie geplant - zu den Huitoto- und Bora-Siedlungen flussaufwärts. Ein kleines Ausflugsboot mit dem Namen „Amazon King“ holt uns ab, es erinnert mich ein wenig an das Schiff von Fitzcarraldo.
Die beiden nahe verwandten Indianerstämme der Huitoto- und Bora leben in direkter Nachbarschaft und versuchen ihre kulturelle Identität zu bewahren. Stolz zeigen sie uns ihr recht großes und modernes Dorf. Es gibt einen gemeinsamen Kindergarten, eine Schule und eine Krankenstation. Wieder einmal bedauern wir zutiefst, dass wir ihre Sprache nicht verstehen und spitzen neugierig die Ohren, wenn andere Reisende, die des Spanischen mächtig sind, ins Gespräch kommen. Aus der Schule strömen die Kinder heraus, sie tragen Schuluniform und Rucksäcke und machen sich gerade auf den Heimweg. Die Kleineren kichern, die Teenager versuchen uns cool zu ignorieren und tuscheln miteinander.
Die Familienhäuser stehen zumeist auf Stelzen, sind aus Holz gebaut und häufig noch mit Palmenblättern gedeckt. Fast überall stehen die dreirädrigen Gefährte in recht modernen Varianten in der Einfahrt.
Wir werden in das Gemeindehaus, die Maloka, eingeladen und bekommen Tänze vorgeführt. Die Tänzer tragen ihre traditionelle Tracht, die sehr kunstvoll aus der abgeschälten Bastschicht des Janchama-Baumes hergestellt wird, nur noch zu solchen besonderen Anlässen. Wir fühlen uns geehrt.
Der Graue versteckt sich aus Angst, zum Mittanzen aufgefordert zu werden, ganz hinten und verfolgt das Geschehen lieber durch den Sucher seiner Kamera. Ich bin fasziniert von den „sprechenden Trommeln“, die durch ihre Größe und die eingearbeiteten Schlitze ganz verschiedene Töne hervorbringen. Man erklärt uns mit einem Augenzwinkern, dass die Trommeln hier das Internet ersetzen. Wir verstehen: Die vielen Satellitenschüsseln im Dorf deuten aber durchaus darauf hin, dass man auch hier in der Gegenwart angekommen ist.
Am Abend singt der Crew-Chor der „Hanseatic spirit“ auf der Bühne „I am sailing“. Die vielen Nationen, aus denen die Mitarbeiter kommen, nehmen jede Sprachhürde. Friedlich singend stehen sie nebeneinander und zeigen, wie einfach es sein kann. Kochmaus singt leise mit, und der Graue räuspert sich auffällig lange.
In der Kabine müssen wir uns nun der traurigen Realität stellen. Wir müssen die Koffer hervorzerren und unsere ganze verschwitzte Kleidung hineinquetschen. Wir werden unfassbar viel Übergepäck haben. Zum Glück aber nehmen wir das nicht in den Gepäckstücken mit. Zum Glück wiegt es gar nichts - und doch so unglaublich viel. Es steht auf keiner Zollerklärung und hat keinerlei Ausfuhrbeschränkungen. Es ist leicht und schwer zugleich. Und unglaublich schön.
Morgen werden wir Iquitos erreichen.
Kommentare
Kommentar von Klaus |
Unglaublich tolle Bilder und mitreissender Text. Gehört beides in eine GEO-Ausgabe!
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