Teneriffa - Ushuaia -Tag 17
von Peter Schäfer (Kommentare: 6)
Plötzlich geht alles sehr schnell.
Die vergangen zwei Wochen fühlten sich an wie Jahre. Aus Erfahrung weiß ich, was nach dem Anlegen in Ushuaia geschehen wird: die letzten 24 Stunden an Bord rasen dahin wie Minuten.
Ich blicke auf den Umschlag von Hapag mit dem Aufdruck „Informationen zu Ihrer Abreise“. Es liest sich wie die Aufforderung zum Antritt einer lebenslangen Haftstrafe.
Noch überwiegt die Euphorie. Doch so sicher wie die Sonne im Osten aufgeht, wird der Abschieds-Blues einsetzten. Es wird Zeit, sich zu verabschieden. Ich will Fotos mit lachenden, nicht mit weinenden Gesichtern. Allen möchte ich die Hand schütteln und viele umarmen, ihnen Dank sagen für ihren unermüdlichen Service, für die Aufgeschlossenheit, für zahllose Gespräche, für die gute Zeit, die wir geteilt haben. Und so bitte ich diejenigen, mit denen ich mich länger ausgetauscht habe als mit anderen für die unvermeidlichen Selfies vor die Kamera.
Noel, der gute Früh-Geist vom Pool-Deck, von den Philippinen, zuverlässig wie der Sonnenaufgang: um 6.00 Uhr brachte er die erste Kanne Grüntee für mich und was Süßes für Kochmaus.
Maren, die in Sal gemeinsam mit der Roten und dem Grauen die Hanseatic nature betreten hat. Nur, dass sie nicht zum Vergnügen an Bord gegangen ist. Für sie ist Hapag der neue Arbeitgeber. Uns hat sie von Anfang an mit ihrer freundlichen, sehr aufmerksamen und immer fröhlichen Art eingenommen.
Matthias, der junge Österreicher, der für mich so sehr den traditionellen Stil von Hapag Lloyd verkörpert und der in seiner Freizeit an Land Foto-Drohnen fliegen lässt.
Anne Serra und Vincent, die beiden sympathischen und weit gereisten Musiker aus Frankreich, für ihre tolle Musik und dem Interesse an meiner Arbeit.
Louise, die charmante österreichische Gedächtnisweltmeisterin, die außer jeder Menge Tipps und Tricks zur Verbesserung der Merk- und Erinnerungsleistungen in jedem Alter, sehr interessante Ansichten zum Leben generell hat.
Karin und Dieter, ein deutsches Ehepaar, das ebenfalls mit uns auf den Kapverden an Bord gekommen ist und mit denen von Anfang an die Chemie stimmte.
Und „last but noch least“ Karola und Tom, ein reiseerprobtes, unterhaltsames und tiefgründiges Paar, mit denen ich unendlich viel gelacht habe.
Am letzten Seetag wird auf Hapag Lloyd Schiffen traditionell die verwendete Seekarte der Reise verlost. Zuvor wird sie von einem talentierten Crew-Mitglied aufgehübscht. In diesem Fall legt sich Edward, ein junger Mann von den Philippinen, schwer ins Zeug, und macht daraus ein beeindruckendes Unikat.
Nur einer kann der zukünftige Besitzer sein. Wer das Prachtstück sein Eigen nennen will, muss an einer Verlosung teilnehmen. Die Glückszahlen gibt es vorab zu kaufen. Die Erlöse kommen sowohl der Crew zugute wie auch einem weiteren karitativen Zweck. Als ich an der Rezeption nach Losen frage, sind die bereits ausverkauft. Da scheint aber ein dringender Wunsch zu bestehen, die Karte zu gewinnen.
Bevor die Tombola eröffnet wird, geben die Köche im Hanseatic Restaurant ihr Stelldichein. Es ist ihre Nacht. Jeder von ihnen taucht mit einer eigenen Kreation auf der Speisekarte auf, jeder einzelne wird namentlich vorgestellt. Angesichts der unübersichtlichen Zahl an Kochmützen gerät Kochmaus aus der Fassung. Ich muss sie festhalten und ihr klarmachen, dass es um die Personen geht, die das Essen herstellen, nicht um die, die es weg mampfen.
Auf dem anschließenden Empfang fasst der Kapitän nochmal die Highlights der Reise zusammen. Soweit er herausfinden konnte, haben wir die längste ununterbrochene Seestrecke in der Geschichte von Hapag Lloyd Kreuzfahrten hinter uns gebracht: 10. 658 Kilometer.
Der letzte Besuch in Ushuaia mit der Hanseatic nature liegt nun 21 Monate zurück. Für viele der Crewmitglieder ist das gleichbedeutend mit einer fast ebenso langen Arbeitslosigkeit. Die Freude darüber, dass es langsam wieder losgeht, wird von den aktuellen Corona-Zahlen aus Deutschland allerdings schon wieder deutlich eingetrübt.
Schließlich und endlich erfolgt die Verlosung der Seekarte. Noch bevor gezogen wird, zieht sich Kochmaus die Schürze glatt und kämmt sich die Haare auf ihren Ohren. Ich rechne mit dem Schlimmsten: eine spontane Rede oder eine künstlerische Darbietung mit Gesang. Oder schlimmer noch, der Bekanntgabe ihrer Verlobung mit Käpt´n Knopf, eine vor mir geheim gehaltenen Affäre mit einem uniformierten Bären. Wieder mal.
Doch es kommt ganz anders. Vorne wird die „Lucky Number“ aus dem Eimer gezogen und vorgelesen. Noch bevor die vierte Ziffer ertönt, schreit Kochmaus hysterisch „ICH!!! Ich ich ich! Kochmaus!!
Bevor ich verstehe, was soeben geschieht, flitzt sie laut rufend nach vorne auf die Bühne. Ich möchte nur noch im Boden versinken. Einfach nur peinlich, wie sie sich wieder in den Vordergrund spielt und versuchen wird, dem Gewinner der Karte die Schau zu stehlen.
Ich brauche einige Momente bis ich begreife, dass die Gewinnerin der Seekarte Kochmaus höchstselbst ist. Offensichtlich ist sie im Besitz des Gewinnerloses. Unfassbar. Wie konnte das geschehen? Ich werde das Gefühl nicht los, als wüsste ich noch nicht alles.
Und während ich mich bereits frage, wie Kochmaus die riesige Karte nach Hause kriegen will, tönt von vorne Gesang. „The Winner Takes it All“, nicht schön aber laut. Oh Mann, Kochmaus! Hört das denn nie auf? Vor allem, wenn sie schon singen muss, dann doch lieber „We are the Champions“, denn das sind wir tatsächlich alle. Alle, die diese tolle Fahrt miterleben durften.
Kommentare
Kommentar von Die Rote |
Kochmaus!!! Kreisch!!! Was für eine Gewinner-Maus!!!
Kommentar von Peter |
Und was ist mit mir !?
Kommentar von Die Rote |
Du bist ja auch ein Gewinner! DU HAST MICH!
Kommentar von Peter |
Stimmt. Und vorher musste ich auch erst alle Lose aufkaufen.
Kommentar von Lysette |
Glückwunsch Kochmaus! Sie muss an einem Sonntag geboren sein. Die Verwandten in Angermünde gratulieren mit einem Glühweinumtrunk.
Kommentar von Karin-Maria |
Das ist ja mal wieder typisch mein Sohn. Was lese ich da? Käpt´n Knopf verlobt? Na, der Schlingel soll mir mal Weihnachten vor der Tür stehen und sicherlich allein, ohne Kochmaus, oder vielleicht doch mit? Mei, würd mich das freu´n. Dann gäb's auch nix zu schimpfen. Das Temperament dieser Hübschen gefällt mir. Tät ihm gut, so´n Wirbelwind, so eine die weiß, dass sie ein Gewinn ist. Vielleicht wird er dann mal sesshaft oder bringt Hapaq Lloyd dazu Frau und Familie monatelang mitzunehmen. Fänd ich das als Gast gut?
Wie auch immer "Glückwunsch, Glückwunsch", gefreut hast Du Dich ja wie ein Champion
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