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Sweet Vegas

von (Kommentare: 1)

Die Stadt ist nichts für Zartbesaitete. Und trotzdem der perfekte Ort, um den grauen Alltag für eine kurze Zeit hinter sich zu lassen. Dabei war vor 130 Jahren hier nichts als Wüste. Mit dem Bau des Hoover-Staudamms ganz in der Nähe und der Legalisierung des Glücksspiels begann in den 1930er Jahren der unaufhaltsame Aufstieg der Stadt. Heute lockt das Versprechen nach Glück und schneller Unterhaltung jedes Jahr 40 Millionen Besucher nach Las Vegas. Die meisten von ihnen verbringen nur wenige Tage hier und geben dabei Unmengen an Geld aus. Nicht jede Erinnerung wird anschließend mit nach Hause genommen. „Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas“.

Doch das ist nur die eine Seite. Auf der anderen stehen diejenigen, die den Besuchern überhaupt erst die Möglichkeiten bieten, hier auf engem Raum alles zu finden, was mit Geld zu bezahlen ist. Neben Glücksspiel sind das vor allem Shows, Konzerte, Sportveranstaltungen, Kulinarik und natürlich Outdoor-Aktivitäten. Unter anderem auch Fallschirmspringen.

Mike hat die Gegend schon vor über 30 Jahren für sich entdeckt und schätzen gelernt. Seine von ihm organisierten Mountainbike-Touren durch die Sierra Nevada endeten immer in Las Vegas. 2019 übernahm er einen Sprungplatz außerhalb der Stadt. Seitdem bietet GoJump Las Vegas hier Tandemsprünge an. Und seitdem ist auch der Firmensitz von GoJump America hier ansässig.

Die ganze Erfolgsgeschichte von GoJump lässt sich in seinem Buch „Vision & Courage“ nachlesen, das Ende letzten Jahres erschienen ist.

Zum ersten Mal hat Firmengründer Mike Vetter seine Management-Riege gemeinsam an einem Platz versammelt. Ein nationaler bunter Mix: Mike aus der Schweiz, Alex aus den USA, Steve aus Australien, David aus Irland und meine Wenigkeit aus Deutschland. Und wie es sich für GoJump gehört, finden notwendige Besprechungen eher selten in nüchternen Besprechungsräumen statt. Unabhängig davon überrascht der Chef diesmal mit teambildenden Maßnahmen: Fahren, Fliegen, Futtern.

Es geht los bei Speed Vegas. Da wollen wir zum Einstieg erstmal richtig Gas geben. Wir alle sind Geschwindigkeit von über 200 km/h zwar gewöhnt, aber nicht mit so viel Blech und Gummi um uns herum.

Obwohl sich Autofahren überhaupt nicht auf meiner Top 10 der schönsten Dinge findet, bekomme ich feuchte Hände, als ich mir zwei Flitzer aus dem Menü auswählen darf. Ich nehme einen Ferrari mit 661 PS und einen Lamborghini mit 573 PS. Mit jedem der Geschosse darf ich 10 Runden fahren. Oder tief fliegen, wie wir Rennfahrer sagen.

Als ich vor den Autos stehe, reichen die mir bis zur Kniescheibe. Mir ist nicht klar, wie ich da rein gelangen soll. Einen Moment fürchte ich, dass man mir dazu die Beine amputieren muss. Zum Schalten braucht es die sowieso nicht. Und aufs Gaspedal kann man einen Ziegelstein legen. Schließlich wollen wir hier nicht Einparken, sondern Gummi geben.

Die Beine bleiben dran und ich hoffe, dass es beim Aussteigen ebenfalls ohne Feuerwehr geht. Auf dem Beifahrersitz fährt jemand mit, der meint, besser Bescheid zu wissen. Er gibt ständig Fahranweisungen und greift bei Bedarf ins Lenkrad. Also alles wie zu hause.

Nach 10 Runden Vollgas bekommt man eine Idee, warum es RennSPORT heißt. Nach dem Aussteigen wackeln mir die Knie, die Muskulatur ist angespannt und der Rücken nass geschwitzt. Ich fühle mich müde und erschöpft. Die körperliche und mentale Belastung sind nicht von Pappe. Respekt vor den Profis, die 2 Stunden lang in so einer Nussschale im Kreis fahren.

Das firmeninterne Rennen für die schnellste gefahrene Runde, bestimmt Mike für sich mit einer Sekunde Vorsprung vor Steve. So viel für die Statistik. Am Ende fühlen wir uns nämlich alle wie Sieger.

Vom Asphalt wenden wir uns wieder unserem eigentlichen Element zu, dem Himmel. Diesmal allerdings in einer passiven Rolle. Wir lassen uns drei Stunden lang spazieren fliegen. Aus der Stadt raus über die Wüste am Hoover-Staudamm und Lake Mead vorbei bis zum Grand Canyon. Dort verweilen wir und lassen das Millionen Jahre alte Naturspektakel auf uns wirken. Der Colorado River hat sich über hunderte von Meilen tief in den Erdboden gefräst und tut das heute noch, mit einigen Zentimetern pro Jahr.

Die Sonne neigt sich dem Horizont zu, als wir zurückfliegen. Bereits in der Dämmerung, knipst die Stadt ihre Lichter an. In wenigen Stunden wird sie wie eine Raumstation aus den Tiefen des Weltraumes in den Orbit ausstrahlen.

Der Tag endet im Restaurant Spago auf der Terrasse mit Blick auf den Vegas Strip und den legendären Bellagio-Springbrunnen. Es ist angenehm warm. Die Stimmung im Team ist besser als in den meisten Familien der Welt. Das Essen hat Sterne-Qualität. Ich denke, besser geht es irgendwie nicht, da steht auf einmal das Dessert auf dem Tisch. „Roll the Dice“ heißt das kleine Kunstwerk. Das angenehm süße und luftig leichte Ensemble ist zugleich eine Hommage an die Glücksuchenden in der Stadt. Diese Leckerei erinnert jeden daran, dass das Glück nicht immer in einem Millionen-Jackpot zu finden ist, sondern manchmal auch als kleiner, vergänglicher Genuss, direkt vor der eigenen Nase.

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Kommentare

Kommentar von Klaus |

Mitreissende Story, geile Bilder. Das weckt Erinnerungen: https://heller-verlag.de/werke/spielen-und-heiraten-in-las-vegas/

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