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Spannendes Bildungsfernsehen II

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TV-Serie: Charité

Beim Durchstreifen der Mediatheken stieß ich auf die Serie „Charité“. Die erste Staffel war schon 2017 im Fernsehen gelaufen, die zweiter Staffel 2019. Bisher war die gesamte Serie inclusive 3. Staffel spurlos an mir vorbeigegangen. Wo war ich, als die ersten Staffeln traumhafte Einschaltquoten von 8 Mio. Zuschauern hatten und später mit namhaften Auszeichnungen, wie z.B. den Deutschen Fernsehpreis und sogar einen International Emmy Award bedacht wurden?

Natürlich ist von eingefleischten und verwöhnten Arzt- und Krankenhaus-Serien-Fachfrauen wie mir keine Gnade zu erwarten, was das Personal solcher Serien betrifft. Ein paar starke Figuren braucht es da schon. Den Ausstieg aus „Emergency room“ habe ich dem Clooney-Schorsch bis heute nicht verziehen, und nachdem McDreamy sich aus „Greys anatomy“ verabschiedet hatte, bin auch ich weggeblieben. Irgendwann wird man dann auch müde nach all den sehr speziellen medizinischen Spezialfällen, die sich da so in den Notaufnahmen zutragen. Von zwischenmenschlichen Verwicklungen zwischen OP und Stationszimmer mal ganz zu schweigen.

Aktueller kann Bildungsfernsehen ja eigentlich nicht sein, dachte ich nun also mit Blick auf die Nachrichten und die neuesten Zahlen vom Robert-Koch-Institut – und dachte, ich kann ja mal reinschauen…

Und zu meinem eigenen Erstaunen war ich nach dem Anschauen der ersten Folge der ersten Staffel wieder gefesselt – und habe – genau wie bei der Serie „Das Boot“ - nicht mehr aufhören können, bevor ich nicht alle drei Staffeln von „Charité“ weggeschaut hatte (noch während die letzte Staffel ganz aktuell im ZDF lief).

In „Charité“ ist einiges anders. Und besser. Hier ist kein Platz für Traumfiguren, in die der Zuschauer sich verlieben kann. Liebesleid und solcherlei profane Nebensächlichkeiten finden hier – erholsam für den wissensdurstigen Zuschauer – nur ganz nebenbei und hintergründig statt. Hier geht es um Wissenschaft und Forschung, um Politik und Gesellschaft, um Macht und Missbrauch, und in erster Linie um die ausgesprochen spannende und wechselvolle Geschichte des weltberühmten deutschen Krankenhauses mit dem einprägsamen Namen.

Dabei spielt jede der drei Staffeln zu einer anderen Zeit und hat eine abgeschlossene Handlung, in deren Mittelpunkt immer eine neugierige und wissensdurstige junge Frau steht.

In der ersten Staffel ist das Ida Lenze, die aus einer gutsituierten Arztfamilie stammt, klug und gebildet ist, aber verarmt ihre Behandlungskosten für eine Blinddarmoperation an der Charité als Pflegerin abarbeiten muss. Man schreibt das Jahr 1888, als in Deutschland Medizingeschichte geschrieben wird, die gerade heute brisant und aktuell ist.

Die an die historischen Hintergründe angelehnte Handlung verbindet das Wirken von Rudolph Virchow und Robert Koch, insbesondere die Entdeckung und Entwicklung des Tuberkulins, mit der neugierigen jungen Frau, die so gern Medizin studieren möchte, was aber Frauen zu der Zeit in Deutschland gar nicht erlaubt ist. Besonders interessant fand ich eine Folge, in der eine ausländische Patientin in die Charité eingeliefert wird, die die Pocken hat. In Deutschland war man zu dieser Zeit dagegen schon geimpft – und die Krankheit dank der Impfpflicht ausgerottet.

Die zweite Staffel springt in die letzten Jahre des zweiten Weltkrieges. Der Krieg, die finsteren Seiten der Naziherrschaft und das Wirken des großen Chirurgen Ferdinand Sauerbruch an der Charité geben den historischen Rahmen für die fiktive Handlung um eine Medizinstudentin namens Anni Waldhausen.

Die dritte Staffel beginnt um die Woche vor dem Mauerbau im Jahre 1961. Hierbei wird offensichtlich, wie sehr die Charité durch Abwanderung der Ärzteschaft und des Pflegepersonals nach und nach immer mehr in Schwierigkeiten gerät. Die Ärzte wie die sozialistisch orientierte Kinderärztin Ingeborg Rapoport und der Gerichtsmediziner Otto Prokop haben in der damaligen Zeit der wichtigen politischen Entscheidungen einiges zu kämpfen gehabt – und werden als Mediziner und als Menschen im zerrissenen Berlin politisch wie moralisch an ihre Grenzen gebracht. Auch in der dritten Staffel werden den tatsächlich gelebten Figuren einige fiktive hinzugefügt, so wie Ella, eine junge Ärztin aus der Provinz, die an die Charité kommt, um mit großer Leidenschaft ihre Krebsforschungen fortzusetzen und sich hierfür Verbündete zu suchen.

Gerade in der heutigen Zeit, wo die Themen Krankheit und Forschung, Behandlungen und Medizin, Impfungen und Medikamente die täglichen Nachrichten von früh bis spät bestimmen, hat mich die Serie „Charitè“ wirklich bewegt und ergriffen.

Die Entwicklung eines Impfstoffes in so kurzer Zeit sieht man nach diesen filmischen Geschichtsunterrichts-Einheiten nochmal ganz anders. Ebenso, welche Rolle Ärzte und Schwestern, Pflegekräfte und überhaupt medizinisches Personal immer in der Geschichte gespielt haben.

Bereits in der allerersten Folge klärt die Oberschwester die jungen Schülerinnen über den Umfang ihres Lebens-Auftrages auf: Charité heißt übersetzt einfach „Barmherzigkeit“.

 

„Charité“ – Serie in bisher drei Staffeln; zu finden auf Netflix (Staffel 1 und 2) oder vollständig in der Mediathek der ARD (auch umfangreiches filmisches Begleitmaterial ist einen Blick wert!)

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