Sehtage
von Peter Schäfer (Kommentare: 3)
Für viele Schiffsreisende sind Seetage ein Graus. Tage, an denen das Schiff nirgendwo angelegt. Sich niemand für einen Ausflug, einen Museumsbesuch, eine stundenlange Wanderung, E-Bike-Tour oder Sonste-was-Safari in die Peripherie entscheiden muss, mithin Dinge zu unternehmen, die man überall sonst auch geboten bekommt.
Bei den Hurtigruten haben sie den Seetag umgetauft. Hier heißt es ganz vornehm
„Navigationsfahrt“. Vielleicht will man sich damit von den Mitbewerbern absetzen. Oder den Freunden des Hafen-Hoppings zumindest das Gefühl geben, nicht auf etwas verzichten zu müssen, weil sie mal einen Tag lang keinen festen Boden unter die Füße bekommen.
Dabei ist doch der erste Gedanke, der einem bei Schiff kommt, Wasser.
Wir zählen uns seit jeher zu den Schiffsreisenden, die wegen des Wassers an Bord gehen. Wasser in einem Maße, einer Dauer und in einem Umfang, wie wir es uns dort, wo wir wohnen, weder wünschen noch vorstellen mögen. Ringsherum und soweit das Auge reicht.
Dass wir uns diesmal für eine Fahrt - ununterbrochen entlang einer Küste entschieden haben, hängt mit der Besonderheit des Reiseziels zusammen.
Die norwegische Küste ist bekannt für ihre beeindruckende Länge und ihre zerklüftete Beschaffenheit mit vielen Fjorden, Buchten und Inseln. Die Entfernung in einer geraden Linie vom südlichsten Punkt Norwegens, dem Kap Lindesnes, bis zum nördlichsten Punkt auf dem Festland, dem Nordkapp, beträgt etwa 1.750 Kilometer. Wenn man die gesamte Länge der Küste entlang aller ihrer Windungen und Buchten misst, wird sie erheblich länger. Schätzungen zufolge könnte die Gesamtlänge der norwegischen Küste, einschließlich aller Inseln, über 100.000 Kilometer betragen.
Langeweile kommt da allein beim bloßen Vorbeifahren nicht auf.
Wer den Reiz einer solchen Fahrt vor allem in dem findet, was die Natur auf ihre Bühne stellt, lebt unter anderem mit dem Vorteil, kein schlechtes Wetter zu erleben. Jeder Sonnenstrahl, ebenso wie jede Wolke, jeder Regenschauer, bringt eine andere neue Nuance ins Bild. Eine unendliche Zahl von Möglichkeiten, das scheinbar immer Gleiche in anderem, in neuem Licht zu sehen. Und plötzlich wirken auch Grautöne nicht einfach nur mehr grau.
Jeder Mitreisende genießt auf seine Weise. In Gemeinschaft oder allein. Schweigend oder im Gespräch mit anderen.
Die Augen finden Flucht- und Ruhepunkte, wohin sie blicken. Ob mit Sehhilfe oder Kamera. Oder einfach nur mit offenen Augen.
Aus dem alten Kinderspiel „Ich sehe was, was Du nicht siehst“, wird „Ich sehe was, was ich noch nie gesehen habe“. Jeden Tag aufs Neue.
Mehr Unterhaltung geht nicht.
Kommentare
Kommentar von Elke Beerhalter |
Großartig!
Jedes Foto und jedes darin für den Moment „geseehene“ Bild.
Kommentar von Problemcousine |
Lieber Grauer und liebe Rote! Ist an den Seehtagen das Expeditionsteam mit Vorträgen, Tipps oder kurze Infos über zu sehende Naturphänomene (physikalisch oder biologisch) informationsbereit? Wir haben viel über Wolken und Nordlichter gehört. Aber uns auch einfach hingesetzt und die Seele baumeln lassen. Haben diese Tage auch bereichernd empfunden.
Kommentar von Problemcousine |
Lieber Grauer und liebe Rote! Ist an den Seehtagen das Expeditionsteam mit Vorträgen, Tipps oder kurze Infos über zu sehende Naturphänomene (physikalisch oder biologisch) informationsbereit? Wir haben viel über Wolken und Nordlichter gehört. Aber uns auch einfach hingesetzt und die Seele baumeln lassen. Haben diese Tage auch bereichernd empfunden.
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