Mahlströme
von Peter Schäfer (Kommentare: 1)
Nur wenige Schritte vom Hotel entfernt werden wir Teil eines Strudels aus Menschen und Fahrzeugen in Bewegung, unablässig umgeben von Geräuschen und Gerüchen. Alles scheint gleichzeitig zu fließen, zu kreisen, und sich gegenseitig zu verschlingen. Unsere bevorzugten Fortbewegungsarten werden die eigenen Beine, der gut organisierte Fährbetrieb auf dem Fluß Chao Phraya und das Tuk-Tuk. Die legendäre Auto-Rikscha - ein kleines, dreirädriges motorisiertes Fahrzeug - ist wendig, schnell und billig. Während wir damit durch die Blechkolonnen sausen, fühlen wir uns im abgasschwangeren Fahrtwind wieder richtig jung und füllen unsere Lungen genussvoll mit exotischem Feinstaub.
Mit der Gewissheit, dass es schlimmer nicht wird, erreichen wir Chinatown und werden einmal mehr überrascht. Der vergleichsweise kleine Fleck im Zentrum der Altstadt ist gleichsam ein Konzentrat und eine Steigerung von Restbangkok. Alles ist noch chaotischer, noch überfüllter, noch lauter und noch stickiger. Der Verkehr schiebt sich Stoßstange an Stoßstange durch enge Straßen, überall Motorenlärm, Abgase, Müllgeruch, eingefasst in feuchtwarmer Hitze. Viele Gebäude sind verfallen, Fenster vergittert, Wände schwarz von Abgasen. Menschen leben und arbeiten hier auf engstem Raum, ohne Ruhe, ohne Grün, ohne Platz. Selbst der Himmel ist verhängt mit Kabeln, Werbung, Laternen und Transparenten. Wer hier etwas Schönes finden will, etwas zum Verweilen, braucht viel Zeit. Die haben wir nicht. Stattdessen eine Verabredung in einem der modernsten Bauwerke der Stadt, auf der anderen Seite des Flusses.
Das 2018 eröffnete ICONSIAM gilt als die beeindruckendste und luxuriöseste Shopping Mall Thailands. Die Baukosten betrugen 1,65 Milliarden US-Dollar. Verteilt auf acht Etagen, finden sich über 500 Geschäfte und rund 100 Restaurants sowie unzählige Stände, die Sachen zum Verzehr anbieten, von denen man nicht wusste, dass sie essbar sind.
Wenn auf irgend etwas Verlass ist in dieser Welt, und also auch in Thailand, dann die Pünktlichkeit, mit der unser guter langjähriger Freund Klaus Heller zur gemeinsamen Verabredung erscheint. Normalerweise treffen wir den Autor, Verleger, Fotograf und Weltreisenden, wenn er wieder mal in Berlin ist. Nun also Bangkok. Thailand ist seine Wahlheimat für die Wintermonate. Er ist begeistert von Land und Leuten und gibt sich alle Mühe, uns anzustecken. Wir geniessen erstmal die entspannte und kurzweilige Zeit mit ihm auf der Terrasse von Starbucks in der siebenten Etage. Dazu ein weiterer überhöhter Blick auf Bangkok, das wie eine wundervoll blühende fleischfressende Pflanze ihre Opfer anzulocken versucht.
Als es dämmert, fällt der Roten ein, dass sie einen Nachtmarkt besuchen will. Klaus übernimmt. Wir brechen auf.
Keine Ahnung, was die Rote von einem Nachtmarkt erwartet hat, was wir vorfinden, entspricht nur hier und da ihren Erwartungen. Normalerweise ist die Zahl der Taschen und Tüten, gefüllt mit Marketenderwaren und Zeug, ein Hinweis auf ihren Zuspruch. Als wir den Markt verlassen, beträgt die Zahl der Käufe Null. Und auch den Krokodilspieß, den sie mutig probiert - schließlich sind wir ja in Thailand - beschreibt sie als Schuhsohle mit Fischgeschmack. Derweil freut sich der Chronist über seine Pommes mit Ketchup, die er in Berlin auch nicht besser bekommt.
Die letzte Herausforderung des Tages ist die Heimkehr ins Hotel. Von allen Fahrgelegenheiten entscheiden wir uns erneut für ein Tuk-Tuk. Klaus nimmt den Skytrain. Er wird eine Stunde unterwegs sein, bis er seine Unterkunft erreicht. Der Abschied ist kurz und herzlich. Keine Minute später hat Bangkok uns alle wieder verschluckt.
Kommentare
Kommentar von Klaus |
Ich fühle mich geehrt, in eurem tollen Blog genannt zu werden! Schön war's mit euch beiden!
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