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LIMO LIMO

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E  N  D  E

Am 30. April 2024 tippte ich jeden Buchstaben des kurzen Wortes wie einen Befreiungsschlag hinter den letzten Satz auf Seite 165. Die erste, die sogenannte “Rohfassung“ meines neuen Drehbuches „LIMO LIMO“ war abgeschlossen.

Am 22. Juli 2023 hatte ich angefangen, es zu schreiben. Ohne Auftrag, ohne zu wissen, wie die Geschichte werden und ob sie jemanden interessieren würde. In der Fachsprache heißt das „on spec schreiben“. Spec steht für „speculation“. In der Filmbranche handelt es sich dabei um eine Arbeit, die ein Autor auf eigenes Risiko und eigene Kosten erstellt, in der Hoffnung, das Werk nach Fertigstellung verkaufen zu können.

Ein „script on spec“ ist für einen Autor so etwas wie ein Lotterielos. Der wesentliche Unterschied: du kannst es nicht kaufen, du musst es dir hart erarbeiten - also Aufschreiben. Zu Ende bringen. Vor allem eine Gemeinsamkeit verbindet Spec Script und Lostrommel: es sind mehr Nieten im Spiel als Gewinne.

Wie immer ist auch diesmal die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich „LIMO LIMO“ in meine persönliche Bibliothek der nicht verfilmten Drehbücher einreihen wird. Ob ein Skript sich irgendwann in einen Film verwandelt, hat zwar auch - aber nicht nur - mit Qualität zu tun. Von Geschmack und individuellen Vorlieben auf Produzentenseite ganz zu schweigen. Dennoch bin ich im Reinen mit mir. Zufrieden und stolz. Einmal mehr. Eigentlich wie immer, wenn ich einen Text zu Ende gebracht habe.

Auch an diesem Buch bin ich wieder ein bisschen gewachsen. Als Autor sowieso, möglicherweise auch als Mensch. Das hat weniger mit dem Inhalt der Geschichte zu tun, als vielmehr mit der Disziplin, dem Willen und der emotionalen Achterbahnfahrt, die das Schreiben – zumindest mir – jedes Mal wieder abverlangt. Je länger ein Text und die Zeit, die ich damit verbringe, desto mehr weicht die Freude an der Arbeit der dazugehörigen Anstrengung. Lust und Frust treten täglich in einem unerbittlichen Zweikampf gegeneinander an. Immer wieder ist unklar, wer am Abend als Sieger aus dem Ring steigt.

Das Wörtchen ENDE ist gleichsam ein Befreiungsschlag gegen den inneren Schweinhund, der mit jeder Seite größer und bissiger geworden ist. Erst auf der letzten Seite schicke ich ihn mit einem K.O.-Schlag auf die Bretter. Am Boden liegend, wartet er dann auf seine Wiederauferstehung – durch ein neues Projekt.

Bevor das nächste Buch ansteht – und es steht an – gönnt sich der Autor ein paar Tage der Reflexion, der Selbstbesinnung. Immerhin hat sich das, was über Monate sein Leben bestimmt hat, fürs Erste erledigt. Die Begrüßung des neuen Babys – aka Drehbuch – ist zugleich auch Abschied von einer Arbeit, die seine Tage mit einem besonderen Sinn bereichert hat.

Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt

Wie jedes Buch, so hat auch „LIMO LIMO“ seine ganz eigene Entstehungsgeschichte. In diesem Fall reichen die Anfänge bis in den Juli 2011(!) zurück. Damals entwickelte ich mit einem befreundeten Produzenten aus Ludwigsburg Stoffe für Pro7 und SAT 1. Neben vielen anderen Ideen hatte ich irgendwann das Bild einer Stretch-Limousine vor Augen (keine Ahnung, wieso und woher diese Eingebung kam). Daraus wurde ein einseitiges Dokument unter dem Titel „Stretch Limo“. Datiert vom 17.7.2011. In wenigen Sätzen umriss ich die Idee zu einer Geschichte. Wenn ich diesen ersten Versuch heute lese, weiß ich, warum wir es damals nicht angeboten haben.  

Drei Monate später hatte ich die Idee erweitert. Der Vorschlag las sich inzwischen wie etwas, aus dem sich (auch heute noch) was machen ließe. Die schriftlichen Auszeichnungen hierzu stammen vom 10.10.2011.

Danach geschah mit der Filmidee um eine Stretch-Limo drei Jahre lang nichts mehr.

Im Mai 2014 erfuhr ich von einer befreundeten Schauspieleragentin, dass die Bavaria Film einen Stoff zum Thema „Boy meets Girl“ sucht. „Irgendwas mit jungen Leuten“. In Ermangelung einer typischen Beziehungsgeschichte, die trotzdem was Originelles hat, kramte ich meine alte Stretch-Limo-Idee hervor. Ich zwängte einen jungen Mann und eine junge Frau in das Auto und ließ sie in eine Geschichte fahren, die noch platter war als ein Reifen, nachdem er über einen rostigen Nagel gerollt ist. Das Exposé vom 27.5.2014 war eine Seite lang und der Arbeitstitel lautete auch hier „Stretch-Limo“. Wenn ich es heute lese, schäme ich mich dafür.

Am 27.7.2015 zeigen meine Notizen, dass ich die Stretch-Limo in die USA verlegen wollte. Die Notizen von damals sind sprunghaft und wage. Aber ich erkenne, dass es „meine“ Geschichte geworden wäre, also nichts, was ich mit Rücksicht auf den mutmaßlichen Geschmack irgendwelcher Abnehmer oder den Zeitgeist geschrieben hätte. Die Aufzeichnungen korrespondieren mit Plänen, eine eigene Filmproduktion in Kalifornien zu gründen. „Oceanside Pictures“ lautete der vielversprechende Name. Warum daraus nichts wurde, ist eine weitere längere Geschichte.

Mit Datum vom 01.08.2015 finde ich einen abgelegten Zeitungsartikel aus den Ruhr Nachrichten. Unter der Überschrift „Stretch-Limousinen vermietet * Falscher Geschäftsführer fährt in die Insolvenz“, ging es um einen Prozess gegen drei Männer. Mit einem Limo-Service wollten sie ein bisschen amerikanisches Flair nach Castrop-Rauxel bringen. Viel Geld war im Spiel, viel Inkompetenz und eine gehörige Portion Schwachsinn von Seiten aller Beteiligten. Der kurze Artikel war besser als alles, was ich bis dahin zum Thema Stretch-Limo zusammengeorgelt hatte. (Anmerkung: Das ist eine von vielen Frustrationen im Leben eines Drehbuchautors: die Wirklichkeit ist oftmals durchgeknallter, als alles, was man sich selbst ausdenken kann. Zumindest als alles, was Produzenten oder Redakteure akzeptieren und einem nicht mit dem Hinweis um die Ohren hauen „Das ist ja völlig unrealistisch!“)

Am 30.07. und am 08.08.2015 finde ich weitere Notizen zur USA-Stretch-Limo-Idee. Und dann ist Schluss. In den folgenden sechs Jahren findet sich nichts mehr zum Thema. Es folgte eine intensive amerikanische Phase. Alle Anstrengungen und Hoffnungen ordneten sich dem Traum unter, als Autor einen Fuß auf US-amerikanischen Boden zu bekommen. Zwei Jahre war ich damit beschäftigt, ein Serienkonzept zu entwickeln, das im Südwesten der USA angesiedelt ist. Anfang 2020 war es unter dem Titel „Desert Sky“ so weit ausgearbeitet, dass ich im April und Mai des Jahres ein paar Wochen in Los Angeles verbringen wollte. Zusammen mit einem befreundeten Autor aus Hollywood wollten wir versuchen, mit Hilfe seines Agenten den Stoff anzubieten. Ich hatte mir ein neues Lotterielos geschrieben, mit Potential zum Mega-Jackpot.

Dann kam Corona. Covid-19. Die Seuche.

Vollbremsung und Neustart

Zweieinhalb Jahre vergingen, bis ich wieder in die USA reiste.

„Desert Sky“ litt massiv unter Post-Covid und hat sich bis heute davon nicht erholt.

Im Februar 2021 bat mich ein alter Freund, ihm beim Drehbuch für einen Kurzfilm zu helfen. Er wollte ihn selbst produzieren. Als Regisseur war Cem Ali Gültekin vorgesehen. Bis dahin kannte ich Cem nur als Schauspieler aus dem Fernsehen. Wir verstanden uns auf Anhieb. Die gemeinsame Arbeit brachte uns näher und wir stellten fest, dass wir mit unseren Vorlieben für Geschichten auf der gleichen Welle surften.

Gemeinsam dachten wir über Stoffe für ihn nach. Eine der Ideen holte die gute alte Stretch-Limo aus der Versenkung. Diesmal hieß der Arbeitstitel „Limo Limo“. Von dieser Geschichte erhoffte ich mir die größten Chancen, da ich sie als „Spin Off“ anlegen wollte. So bezeichnet man im Film- und Fernsehbereich ein Werk, das auf Charakteren, Handlungssträngen oder dem Universum eines bereits bestehenden Films oder einer Fernsehserie basiert. In diesem Fall handelt es sich um das Erfolgsformat „Nord bei Nordwest“. Dort spielt sich Cem seit der ersten Folge in der Rolle des Mehmet Ösker jedes Mal in die Herzen der Zuschauer.

Wäre es nicht cool, zum 10-jährigen Jubiläum der Serie eine Geschichte mit Mehmet im Mittelpunkt zu erzählen? Die Figur war eingeführt und beliebt, mit der Besonderheit, dass sie in jeder Episode eine andere Berufsidee verfolgt. Mehmet als Fahrer einer Stretch-Limousine wäre in jeder Hinsicht folgerichtig und originell.

Am 28.11.2022 machte ich mir dazu die erste Notiz. Am 20.12.2022 waren daraus drei Seiten geworden. Am 8.7.2023 ergänzte ich das Papier um weitere sieben Seiten: Anmerkungen und Gedanken zu einzelnen Figuren und zur Handlung.

Die Idee stieß auf Interesse und positive Resonanz. Als Spin Off für Nord bei Nordwest kam sie jedoch nicht infrage. Produktionsfirma und Sender lehnten den Vorschlag ab, u.a. wegen Fragen um die Urheberrechte der Figur des Mehmet Ösker. So enttäuschend das in der Situation war, konnte ich immerhin feststellen: Niemand hatte an der Grundidee von „Limo Limo“ gemäkelt. Im Gegenteil, die Stretch-Limo im Mittelpunkt einer Erzählung schien die Angesprochenen neugierig zu machen.

Der nächste Schritt bestand also darin, eine neue Hauptfigur zu entwickeln und ein neues Umfeld, jenseits des eingeführten, fiktiven Ortes Schwanitz aus der Fernsehserie. So erdachten wir uns Burak Demir und schickten ihn auf eine Reise durch Schleswig-Holstein in den fiktiven Ort Moorsteeg. Das überarbeitete Exposee dazu war am 15.7.2023 fertig.

Erneut stand ich da mit einer entwicklungsreifen, vielversprechenden Idee und konnte versuchen, sie zu Markte zu tragen. Und einmal mehr stand ich vor dem klassischen Autoren-Dilemma. Wenn es um Themenvorschläge geht, wünschen sich die meisten Produzenten nicht mehr als drei bis fünf Seiten zu lesen. Komplette Drehbücher fassen sie eher mit der Kneifzange an, zumal, wenn sie nicht von ihnen selbst initiiert wurden.

Eigentlich ist es auch für den Autor begrüßenswert, weil zeitsparend, nicht ein komplettes Buch liefern zu müssen. ABER, erfahrungsgemäß verleitet die Länge bzw. Kürze eines Vorschlages dazu, dass viele gute Ideen bereits in diesem frühen Stadium zunichte gemacht werden. Ein Konzept ist immer noch recht wage und lässt einfach zu viel Raum für Missinterpretationen oder die abenteuerlichsten Vorschläge und Wünsche potenzieller Abnehmer.

Können wir nicht aus der Hauptfigur statt einem Mann eine Frau/einer Frau einen Mann machen? Können wir nicht Tiefseetauchen statt Bergsteigen nehmen? Kann aus dem einarmigen Schiffschaukelbremser nicht eine ayurvedischen Geisterheilerin werden? Könnte man die Geschichte statt als Komödie nicht auch als Drama erzählen?

Grundsätzlich kann man alles machen. Oder besser gesagt, versuchen. Je größer die Runde der Vorschlagenden in diesem Stadium allerdings ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende kein Schwein mehr weiß – der Autor eingeschlossen – worum es ursprünglich eigentlich gehen sollte.

Ein Beispiel aus der Wirklichkeit. Aus erster Hand von einem befreundeten
Produzenten. Ihm gelang es – ungeplant und zufällig(!) - mit drei dürren Worten einen Entwicklungsauftrag an Land zu ziehen: „Mensch liebt Affe“.

Der angesprochene Privatsender kaufte diese „Idee“ und investierte einen hohen fünfstelligen Betrag für die Arbeit am Drehbuch. Nach zwei Jahren verschwand die bescheuerte Anfangsidee in der Versenkung, mitsamt den hoffnungslosen Versuchen, daraus eine Geschichte zu machen.

Inzwischen habe ich ein Alter erreicht, indem ich mir solche Szenarien nicht mehr antun möchte. Das innere Gleichgewicht zu finden und zu wahren sind wichtiger geworden als jeder rote Teppich.

Ich beschloss, zu tun, was mich im Leben schon häufiger nach vorn gebracht hat: zu machen, woran ich glaube und wovon ich überzeugt bin. Ich wollte zu der Stretch-Limo-Idee den Film schreiben, den ich mir selbst gern anschauen würde. Und wenn ich der Einzige wäre, der ihn gut findet.

Am 22.07.2023 schrieb ich die Einstiegsszene – zwei druckreife Seiten. Um die Motivation hochzuhalten, nahm ich mir vor, jeden Tag mindestens eine Seite zu schreiben. Auf diese Weise käme ich nach 120 Tagen zu einem Drehbuch für einen Langfilm.

Der 1-Seite-pro-Tag-Plan ging nicht ganz auf. Doch der Umfang des Buches und die Geschichte wuchsen kontinuierlich Woche für Woche. Neun Monate später, am 27.04.2024, fand die Geschichte nach 165 Seiten ihren vorläufigen Abschluss.

Eine Faustregel sagt, dass eine Drehbuchseite in etwa einer Filmminute entspricht. Am 28.04. begann ich mit der Überarbeitung. Die war am 30.4. abgeschlossen. Nun umfasste das Buch 129 Seiten. Für mich eine akzeptable Länge, um es auf die Öffentlichkeit loszulassen.

Von der ersten Idee bis zum fertigen Drehbuch waren 14 Jahre vergangen. Allein von 2022 bis 2024 hatte ich 209 Arbeitsstunden in das Projekt investiert, 189 Stunden reine Schreibarbeit.

Anderthalb Stunden braucht es nun, um die Geschichte von Burak Demir zu lesen, dem gutgläubigen Taxifahrer, der mit einer geklauten Stretch-Limousine zum Katalysator und Objekt gegenläufiger Begehrlichkeiten wird. Menschen aus vier Generationen und unterschiedlicher Herkunft kommen sich in dem Roadmovie gegenseitig gehörig in die Quere, bis sich alles in einem turbulenten Finale auflöst.

Wer neugierig ist und Lust hat, das Drehbuch zu lesen, dem sende ich es gerne zu. Einfach anfragen unter info@rotundgrau.de

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