Kleiner Amazonas
von Peter Schäfer (Kommentare: 1)
Klein ist im Zusammenhang mit dem Amazonas eigentlich gar nichts. Wenn man also vom „kleinen Amazonas“ spricht, ist das nicht nur relativ zu sehen, sondern vor allem eine Sache der Namensgebung.
Den Ursprung des Amazonas bilden zwei Quellflüsse, die den peruanischen Anden entspringen. Als Amazonas fließt der neu gebildete Fluss durch Peru nach Osten, führt ein kleines Stück durch Kolumbien und ergießt sich dann durch Brasilien in seiner vollen Länge bis hin zum Atlantik.
Das Teilstück von Peru bis hinauf nach Manaus, wird umgangssprachlich als der kleine Amazonas bezeichnet. Die Brasilianer nennen ihn Rio Solimões. Der allgemein gebräuchliche Name wird ihm erst zugestanden, wenn er sich mit dem Rio Negro zum großen Amazonas vereint hat.
Wir befinden uns nun also auf dem „kleinen“ Amazonas. Der Unterschied zum „großen“ ist für uns vor allem feststellbar durch eine geringere Strömung des Flusses und die nicht ganz so weit entfernten Ufer, wenn wir von Deck aus in Fahrtrichtung blicken. Manche Teilstücke dürfen wir sogar nur am Tage durchfahren, aus Gründen der schwierigen Navigation und der schwer zu bestimmenden Wassertiefen.
Überhaupt hat sich der Schiffsverkehr merklich verändert. Das größte, was uns begegnet, sind kleine Passagierschiffe und sehr viel Individualverkehr, sprich motorbetriebene Boote und Kanus. Kein Mensch paddelt hier, um voranzukommen.
Unser Blick ist begrenzt durch die grünen Uferstreifen links und rechts, das lehmige Gelb des Flusses um uns herum - und über uns ein ständig wechselnder Himmel mit seinen Wolkenformationen. Bei einem Blick auf die Landkarte finden wir uns in einem riesigen, undurchdringlichen Labyrinth wieder, das wir von hier unten nicht als solches empfinden.
Leider ist uns die spektakuläre Draufsicht auf uns selbst nicht möglich. Erst aus der Überhöhung würde die Verhältnismäßigkeit unserer aktuellen Situation begreifbar. Hier unten wirkt hingegen alles überschaubar. Die Ansiedlungen, die wir passieren, die Menschen, denen wir begegnen und die sich hier bewegen, als wäre das Leben unter den gegebenen Bedingungen das normalste von der Welt. Und das ist es wohl auch. Für die einheimische Bevölkerung auf jeden Fall.
Nach wie vor stoppt unsere Fahrt - und wir unternehmen Ausflüge in den Schlauchbooten, um die Natur nicht nur zu durchqueren, sondern sie auch ein klein wenig zu begreifen. Das ist jedes Mal wieder lehrreich und spannend. Obwohl uns das Amazonasgebiet überwiegend unüberschaubar und einsam vorkommt, ist es belebt. Wir passieren ständig kleinere Ansiedlungen, deren Häuser auf Pfähle gebaut sind oder bereits als schwimmende Häuser konstruiert wurden, um bei unvorhersehbaren Pegelständen nicht immer gleich den Verlust des kompletten Besitzstandes zu beklagen.
Die Eindrücke sind nach wie vor massiv und wir sind nicht in der Lage, sie vollständig zu verarbeiten. Das Zeitgefühl hat sich komplett aufgelöst. Zwei Wochen sind wir unterwegs, Sie fühlen sich an wie ein halbes Jahr. Jeder Tag vergeht mit einer unglaublichen Intensität.
Klar ist schon jetzt, dass diese Reise für uns nicht zu Ende sein wird, wenn wir wieder in Berlin sind. Sie wird uns auch weiter begleiten und beschäftigen.
Kommentare
Kommentar von Dieter |
Da bin ich mir sehr sicher, dass ihr an diese Reise noch sehr lange denken werdet. Die Wolken mit ihren Formen und Farben könnten von einem Farbtuschkasten stammen. Unglaublich schön all die Fotos. Danke, dass wir daran teilhaben dürfen und weiterhin göttliche Erlebnisse.
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