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Ja, wo laufen sie denn?

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Nach der Begegnung mit den Elefanten fragen wir uns, ob das eigentlich noch zu toppen ist. Glückselig und gerührt von so viel Nähe taumeln wir dem westlichsten Eingang zum Nationalpark entgegen: Dem Galton Gate. Hier starten wir unser nächstes Projekt: Gesamt-Durchquerung Etosha-Park in zwei Tagen.

Der Etosha-Nationalpark sieht schon auf der Landkarte von Namibia einfach nur groß aus. Sehr groß. Dabei gehen seine Ausmaße weit über die eigentliche Etosha-Pfanne, die weiße Salzwüste, hinaus. Diese gab dem Naturschutzgebiet seinen Namen: Etosha stammt aus der Sprache Oshivambo und bedeutet so viel wie „großer weißer Platz“. Und genau das ist sogar aus dem Weltall auf Satellitenfotos zu erkennen: Ein weißer Fleck.

1907 erklärte der damalige Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika, Friedrich von Lindequist, ein Territorium von fast 100.000 km2 des Landes zum Naturschutzgebiet. Der ehemals reiche Wildbestand hatte sich durch Wilderei und Großwildjagden so reduziert, dass etliche Tierarten fast ausgerottet waren. Elefanten gab es kaum noch und die riesigen Antilopenherden war fast verschwunden. Die Schutzmaßnahmen hatten Erfolg und die Wildbestände regenerierte sich allmählich wieder. Die Schutzgebiete wurden mehrmals verändert, ihre Größen angepasst und sogar wieder verkleinert, und Anfang der 1970-er Jahre wurde dann der Etosha-Nationalpark in seinen heutigen Grenzen zum Schutzgebiet erklärt. Nun gehören ca. 22.000 km2 Ausdehnung zum komplett eingezäunten Parkgebiet. Fast 300 Kilometer von links nach rechts, und 110 Kilometer von unten nach oben. Ungefähr so groß wie Hessen. Nur mit mehr Besuchern. Schließlich gehört der Etosha-Nationalpark neben der Sossusvlei-Wüste zu den meistbesuchten Reisezielen in Namibia. 200.000 Besucher zählt das Schutzgebiet in jedem Jahr.

Und zwei davon durchfahren gerade das westlichste Tor. Kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Der Graue parkt das Auto hinter dem Tor und macht sich auf die Suche nach jemandem, bei dem er den Parkeintritt bezahlten kann.

Lachend kommt er kurze Zeit später aus dem offiziellen Kabuff, eine „Permit“ in der Hand. Der Einlasser in Uniform wünscht uns einen angenehmen Tag und winkt uns lässig weiter. Der Kassierer sei leider noch nicht da, warum auch immer. Wir sollen einfach den Eintritt beim nächsten Gate oder beim Rausfahren bezahlen. That´s Africa! Wir lieben es! (Was wäre in Berlin passiert? Wir hätten mindestens warten müssen. Der Kassierer wäre im Streik gewesen? Das Kabuff wäre geschlossen, wegen „plötzlichem Personalmangel“? Wir hätten Strafgeld bezahlen müssen? Wir hätten die Erlaubnis nicht bekommen? Wir hatten das Schild „Ohne Permit fahren streng verboten!“ gelesen? Und so weiter?)

Aber hier fahren wir langsam los über die schnurgerade staubige Wackelpiste und gucken aufgeregt nach rechts und links, um auch ja den Löwen nicht zu übersehen. Bereits nach 5 Minuten Autofahrt kreuzt das erste Tier unseren Weg. Vorsichtig steigen wir aus dem Auto aus, weil wir es nicht glauben können: Eine Schildkröte guckt am Wegesrand verschlafen unter ihrem Panzer hervor, wackelt mit dem Kopf und verzieht sich wieder in den Schatten.

Die Landschaft rechts und links von der Straße ist saftig grün und sieht aus wie nach dem Regen. So ist Winter in Afrika: Regenzeit. Alles erwacht zum Leben. Ganze Teppiche von kleinen leuchtend gelben Blüten bedecken den Boden. Bäume und Sträucher sehen frisch aus. Und so dauert es nicht lange, und die ersten Zebras heben kurz den Kopf, schauen zu uns herüber, lassen sich aber beim Fressen nicht stören. Ganze Herden von Springböcken liegen entspannt in der Sonne, knabbern am Boden und drehen gelassen ihre Köpfe dem Auto hinterher.

Giraffen schauen über die Bäume. Wir bleiben natürlich stehen und schauen, schauen, schauen. In diesem riesigen Zoo sind wir die Gäste und bekommen nur einen kleinen Einblick ins Tierleben, wenn die Damen und Herren Wildtiere das gestatten. Zur Zeit sieht es überall üppig und grün aus, so dass die meisten Tierarten keine Probleme haben, etwas passendes für den Speiseplan zu finden. Es ist schön, dass in dieser Saison und in diesem (westlichen) Teil des Parks kaum Touristen unterwegs sind, so dass wir manchmal stundenlang kein anderes Auto treffen. So können wir den Blick schweifen lassen über die nun steppenartige Landschaft, die immer spärlicher wird, je näher wir der Salzwüste kommen.

Für den ersten Tag im Nationalpark haben wir uns als Ziel genau die Hälfte des Parks gesetzt. Hier übernachten wir in einem Camp der namibischen Tourismus-Organisation NWR (Namibian Wildlife Resorts). Mitten im Nirgendwo genießen wir wieder mit großer Demut eine wunderbare kühle Dusche, ein gutes Abendessen und ein klimatisiertes Zimmer. (Der Graue erzählt mir zum wiederholten Male, unter welchen Bedingungen er vor ca. 30 Jahren das Land durchquert hat. Doch das ist eine andere Geschichte.)

Als Abendprogramm gibt’s „Kino“ auf Holzbänken an einem grandiosen Wasserloch. Es sind bis auf ein paar kleine Springböckchen kaum Tiere zu Gast. Wir nehmen es ihnen nicht übel, da sie zum Glück gerade überall zu trinken finden. Als die Sonne untergeht und das Wasserloch wie ein goldroter Spiegel vor uns liegt, grummelt in der Nähe eine Gewitterwand und der Himmel verfärbt sich schwarz. Blitze erhellen die Szenerie, und der satte Regen, der dann in der Nacht auf unser Blechdach trommelt, klingt unglaublich laut und wunderbar und viel, viel schöner, als er in Berlin jemals geklungen hat.

An Tag zwei fahren wir bis zur Salzwüste. Wenn man aus dem Auto steigt, ist es, als trete man freiwillig in einen Backofen ein. Die Landschaft ist einfach nur weiß und verschwimmt irgendwo am Horizont flimmernd mit dem Himmel. Im wahrsten Sinne des Wortes: Ein weißer Fleck auf der Landkarte. Und dennoch hat sich an manchen Stellen sogar der Regen der letzten Nacht gesammelt. Der Graue macht zu seinem Entzücken einen einzelnen rosa Flamingo aus. Wenn die Regenzeit ihren Höhepunkt erreicht, und die Etosha-Pfanne an den Rändern voll Wasser läuft, stehen hier tausende Flamingos. Wir stellen uns vor, wie herrlich das aussehen mag. Leider nicht heute.

Mit der sehr guten Straßenkarte und der Tier-Checkliste auf dem Schoss fahren wir weiter. Immer wieder kreuzen große Zebra-Gruppen unseren Weg, die wir vorbeiflanieren lassen. Springböcke, kleine Steinböckchen, Oryx, Impalas und Gnus lassen sich von uns nicht stören. Und bei jeder Giraffe geraten wir erneut in Entzücken. So auch am Ende unseres Besuches, als drei Exemplare, die schon von weitem auf der schnurgeraden Straße zu sehen sind, wie ein Abschiedskomitee dastehen, uns entgegenschauen und sich nicht rühren. Wir stoppen das Auto und gucken zurück. „Die sind aus Holz...“, sage ich ungläubig. Da dreht eine den Kopf. Dann die anderen auch. Sie nicken uns ein deutliches „Goodbye“ zu und verschwinden zwischen den Bäumen.

Wir verlassen den Etosha-Park am Nachmittag. Beseelt und glücklich, vollkommen verstaubt und verschwitzt, müde vom Schauen und vom Rütteln der Waschbrettstraßen. Wir haben keine Löwen, keine Leoparden und keinen Gepard gesehen. Auch kein einziges Nashorn.

Unsere Quote bei den „Big Five“ ist ziemlich niederschmetternd. Aber unsere Laune könnte besser nicht sein. Wir nehmen es den großen 5 nicht übel, dass sie sich nicht vorgestellt haben. Wir gönnen es ihnen von Herzen, dass sie momentan überall ausreichend Wasser finden, so dass sie woanders trinken als unter den neugierigen Augen von uns Touristen.

Unsere schönste Begegnung war die mit den Elefanten zwei Tage vorher. Auge in Auge sozusagen. Schöner wäre wahrscheinlich gar nicht möglich.

So rollen wir glücklich und sehr zufrieden durch das Lindequist Gate aus dem Etosha-Nationalpark. Die drei Abschiedsgiraffen gucken uns wahrscheinlich nicht hinterher.

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