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Immer geradeaus

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Der dritte Tag beginnt langsam. Wir kommen um halb zehn erst vom Hof. Als hätten wir ein Leben lang nichts anderes gemacht, finden wir uns nach wenigen Minuten wieder in unserer Blase, unserem Kosmos aus Führerhaus, Asphalt und anderen Bewegten der Landstraße.

Es gibt nichts, was hier nicht über die Straßen von A nach B bewegt wird. Wer die USA nur ein bisschen verstehen will, sollte eine Woche lang auf den Interstate Highways des Landes unterwegs sein. Sie sind Rückgrat und Schlagadern der amerikanischen Wirtschaft. Diese Nation ist in Dauerbewegung. Unabhängig von der Richtung – immer geradeaus. Ohne Unterlass versorgt sie ihre einzelnen Bestandteile bis in den letzten Winkel mit dem Lebensnotwendigen. Und mehr. Man kann nur ahnen, was geschieht, wenn hier kein Rad mehr rollt.

Nach 270 Kilometern erreichen wir einen der großen Flüsse Amerikas. Wir überqueren den Mississippi und damit auch die Staatsgrenze nach Illinois. Chicago ist noch immer 300 Kilometer entfernt. Unser gestriges Tagesziel. Längst sind wir in der Realität angelangt und haben uns für heute kein geografisches Ziel gesetzt. Wir rollen, solange Sprit im Tank ist und die Blase hält. Nachtquartier zu finden ist eh kein Problem. In einem Land, in dem die Hälfte der Menschen im Auto zu leben scheint.

Nach Illinois durchqueren wir in einem Rutsch Indiana. Hinter der nächsten Staatsgrenze nach Ohio erscheint uns Cleveland wie ein realistisches Ziel für die nächste Übernachtung. Wenn wir es bis dorthin schaffen, können wir weitere 1100 Kilometer abhaken. Drei Viertel der Tour sind dann geschafft.

Südlich von Cleveland biegen wir ab. Wir brauchen Sprit, Nahrung und ein Bett.

Von der Tankstelle aus sichte ich ein vertrauenserweckendes kleines Restaurant. Während der ganzen Fahrt haben wir uns nicht einmal in irgendeiner System-Gastronomie wie McDonalds und Co verirrt. Überall haben wir kleine Restaurants oder Familienbetriebe gefunden, in denen wir gut und gesund versorgt wurden.

Chayhana steht über dem Laden. Der sieht nicht aus, als gehörte er zu einer Kette. Zudem klingt es irgendwie indianisch. Falsch geraten. Chay heißt Tee und Hana bedeutet Haus. Tatsächlich wird hier unter anderem Tee in großen Kannen angeboten. Wir sind in ein usbekisches Restaurant geraten. Der Betreiber ist unglaublich nett, die Gäste überwiegend usbekisch und das Essen der Hammer.

Wir haben keine Ahnung, wo all diese Menschen herkommen, die in diesem Lokal die Kultur, Essen und sozialen Kontakte weit ab ihrer Heimat pflegen.

Im Gang zu den Toiletten findet sich ein großes Bild von der nächtlichen Skyline New Yorks. Zwischen Usbekistan und Big Apple nur eine Schwingtür. Auch das ist Amerika.

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