Hua Hin - und nichts wie weg
von Peter Schäfer (Kommentare: 2)
Haben wir eigentlich einen Vogel? Suchen wir mit der Lupe in jeder thailändischen Nudelsuppe nur das dunkelschwarze Haar? Das fragen nicht nur wir uns, sondern wohl auch die vielen Veteranen unter unseren Lesern, die jedesmal Tränen in die Augen bekommen, wenn sie an ihre(n) Thailandaufenthalt(e) zurückdenken und zu Hause davon schwärmen.
„Wir müssen mal was Schönes schreiben“ fordert die Rote ihren Gemahl auf, als wäre der an den gemeinsamen Erlebnissen Schuld und bemüht darum, in investigativer Absicht anderen ihr Paradies madig zu machen.
Der Chronist geht in sich, studiert die aktuellen Thailandversprechungen vom November 2025 - und freut sich anschließend wie Bolle auf den „kilometerlangen schneeweißen Traumstrand“ der Stadt Hua Hin - das nächste Reiseziel.
Endlich mal über was Schönes schreiben.
Traumstrand-Werbung 2025
Passend zu den Bildern im Internet buchen wir uns im Marrakesh Hua Hin Resort & Spa ein, eines von unzähligen Hotelkomplexen entlang der Küstenlinie. Hua Hin ist ein Ort des Massentourismus. Nix Boutique Hotel, einsam und romantisch, sondern gepflegte Ferienanlage mit allem Pi-Pa-Po, Grundversorgung, Zimmerservice und alles andere fussläufig von dort erreichbar. Ab jetzt keine Experimente mehr. Was gut ist für alle anderen, soll auch gut genug sein für uns.
Marrakesh - überleben in der Oase
Von der Hotelanlage aus blicken wir über die glasklaren Pools hinweg auf den Golf von Thailand. Wasser bis zum Horizont. Den Sandstrand sehen wir nicht. Die Anlage liegt auf einem Plateau etwa zwei Meter über dem Meeresspiegel. Wir wollen den warmen Sand unter unseren nackten Füssen spüren und freuen uns auf einen stundenlangen Spaziergang entlang des überall in höchsten Tönen besungenen Traumstrandes von Hua Hin.
Und dann sehen wir… Tja… was eigentlich? Das Grauen? Halluzinationen? Oder doch die ungeschönte Wirklichkeit hinter der Gehirnwäsche all der „Mega“, „Super“, „Paradies“ -Erzählungen von Thailandreisenden und dem permanenten Prospektbetrug der Werbeversprechen?
Die Schuhe bleiben an den Füssen. Sie schützen vor Glassplittern und scharfkantigem Plastik. Wir wandern fünf Kilometer vorbei an natürlichem Treibgut und menschengemachtem Müll. Dazwischen erkennen wir hin und wieder auch Sand. Das Navi auf dem Handy bestätigt: wir sind noch immer am Traumstrand von Hua Hin. In anderthalb Stunden hätten wir ein 200-teiliges Besteck aus Plastik und den Tagesbedarf an Plastikstrohhalmen für alle Berliner Barbetriebe aufsammeln können. Neben all dem anderen Hausrat, den das Meer anschwemmt.
Jedes Hotel beseitigt an seinem Strandabschnitt den angehäuften Müll, um das spätestens am nächsten Tag zu wiederholen. Die großen Plastikteile verschwinden dabei. Die kleinen bleiben liegen. Irgendwann werden sie nicht mehr zu sehen sein und sich als Microplastik in den Stoffwechsel von Tier und Mensch einnisten.
Unterm Plastik ist auch Sand
Der Spaziergang führt uns in konzentrierter Form vor Augen, was uns bereits während der ganzen Reise aufgestoßen ist. Abgesehen von umfriedeten und besonders gepflegten Hotel- und Tempelanlagen, finden wir in Thailand keine zehn Quadratmeter am Stück, die nicht plastikvermüllt sind. Viel zu spät recherchieren wir, was wir lange vor Buchung hätten tun sollen. Selbst den sagenumwobenen Urlaubsdestinationen wie Phuket und Ko Samui steht der Müll bis zum Hals. Und noch immer schwadronieren Reisende und Werbetreibende mit gläsernen Augen von den Trauminseln.
Das Land hat ein ausgemachtes, vor allem aber hausgemachtes Müllproblem. Wer will, kann das seit Jahren wissen. Die Reisebüros der Welt wollen es offensichtlich nicht. Sie schreiben seit ewigen Zeiten dieselben Lügen voneinander ab. Ich finde - unabhängig vom Anbieter - bis aufs Komma wortgleiche Texte über die wunderbaren Urlaubsorte, die sich in der Wirklichkeit zu flächendeckenden Müllkippen entwickelt haben.
Zeichen an der Wand
Ohne jetzt überheblich oder besserwisserisch klingen zu wollen, bekommen wir neben dem Müll auch noch mit, wie der normale Mensch als Wesen so zu ticken scheint. Statt schreiend davonzulaufen, den Herrgott um Beistand anzuflehen oder doch wenigsten anzufangen, die Scheiße aufzuräumen, die er fabriziert hat, ignoriert die Krone der Schöpfung, was unmittelbar vor seiner Nase die unleugbare Realität ist.
Uns scheint, als würden alle krampfhaft versuchen, das Gefühl in sich hervorzurufen, für das sie - der Reisepropaganda sei Dank - teuer bezahlt haben. Es hiess, hier ist es super - also ist es hier mindestens mega. Wer will schon zu Hause sich und anderen eingestehen, dass Camping auf der örtlichen Müllhalde genauso schön, nur billiger zu haben gewesen wäre.
Wenn diese Geschöpfe es wenigsten dabei beliessen, „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ - ginge es ja vielleicht noch. Stattdessen wird der freie Meter zwischen Müll und Meer für das unvermeidliche Selfie genutzt, um wahrscheinlich auf Instagram & Co zu erzählen, wie super happy man ist, dass man den coolen Hua-Hin-Beach so ganz allein für sich genießen kann.
Andere wiederum, die jedes Gefühl für Form und Fülle über ihre Körper verloren haben, räuchern sich in den Dunstschwaden der Holzkohlegrills, die wenige Schritte neben ihnen aufgebaut sind. Von denen lassen sie sich Fleischspieße anreichen, die so gut zum kühlen Bierchen passen. Es ist halb elf am Vormittag. Das Frühstück ist schon seit einer Stunde beendet und bis zum Mittagsbuffet im Hotel sind es mindestens noch zwei Stunden hin. Eine Ewigkeit.
Offensichtlich ist das sogar der Sonne ein bisschen peinlich. Sie verschanzt sich hinter einem grauen Schleier. Das passt hervorragend zur Gesamtstimmung. Die Rote wähnt sich in einem zum Leben erwachten Hyronimus-Bosch-Gemälde. Sie wünscht sich dringend wieder festen Asphalt unter ihre Barfußschuhe.
Machen uns die Welt, wie sie uns gefällt
In der Stadt ist es dann ähnlich wie am Strand, nur ohne Wasser. Wir legen die fünf Kilometer zum Hotel auch hier zu Fuss zurück und erleben Hua Hin als einen weiteren Ort ohne eigenes Gesicht. Kaufhäuser, Nachtmärkte, Mega-Verkehr, schlechter Luft und Infrastruktur, die aus dem letzten Loch pfeift. Das verträumte Fischerdorf von einst ist Vergangenheit. Es erinnert nur noch als alte Postkarte an die Zeit, bevor die königliche Familie in den 1920er Jahren - also lange vor der Erfindung der Plastiktüte - den Ort als Seebad für sich entdeckte.
Kommentare
Kommentar von Maxi(miliane) |
Schade, schade, schade. Ich war 1996 in Thailand, da war die Welt dort noch weitestgehend in Ordnung.
Kommentar von Peter |
Ich war 1990 dort. Meine Erinnerung daran sind nicht halb so wild wie das, was wir jetzt vorgefunden haben. Vor allem die Qualität der Vermüllung hat sich seitdem verändert. Von mehr oder weniger abbaubaren Abfällen hin zu unkaputtbarem Plastik. Was ja nicht nur ein Problem für und in Thailand ist.
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