High Life in NYC
von Peter Schäfer (Kommentare: 0)
Höhepunkt und Abschluss unserer Fahrt sollte ein Fotoshooting am neuen Sprungplatz sein. Die Wetterprognose für die die kommenden Tage verspricht nichts Gutes. Kameramann und Models werden abgesagt. Das Vorhaben um drei Wochen verschoben. Ich werde dann leider nicht mehr dabei sein.
Der einsetzende Starkregen vergrault uns auch die Lust, die ausgedehnten Strände von Long Island zu erkunden. Wir packen die Sachen und rollen Richtung Manhattan. Die nächsten drei Tage werden wir im Kerngehäuse von Big Apple verbringen.
Der einzige Lichtblick an diesem Tag ist unsere Unterbringung im Stadtteil Soho, im Südwesten von Manhattan. Mike kommt freudestrahlend von der Rezeption des Soho Grand Hotels zurück. „Die haben uns ein Upgrade gegeben“. Es gibt im Obergeschoss des Hotels, in der 14. Etage, zwei Penthäuser. Eines davon werden wir in den nächsten Tagen besiedeln.
Die Räumlichkeit ist größer als unserer Wilmersdorfer Altbauwohnung und verfügt über eine Terrasse, die halb so groß ist wie das heimatliche Quartier. Eine solche Unterbringung ist fernab unserer finanziellen Möglichkeiten. Wir freuen uns wie Bolle. Leider können wir im Augenblick nur ahnen, was wir von hier aus sehen werden. Es ist inzwischen dunkel geworden. Es regnet und die Wolken können sich nicht entscheiden, ob sie lieber als Bodennebel oder weiter in der Luft schwebend existieren wollen.
Das Grundrauschen aus Autoverkehr, Hupen und jede Art von heulenden Sirenen dringt aus der Tiefe zu uns herauf und versetzt uns in eine entspannte Stimmung. So wie Meeresrauschen an einem einsamen Strand.
Mal sehen, was wir morgen sehen werden. Wenn wir was sehen.
Zwei Dinge bleiben am neuen Tag wie am Abend zuvor. Die Fassungslosigkeit angesichts unserer neuen Wohnsituation und das unterdurchschnittliche Wetter.
Die Wolkendecke drückt noch immer auf die Stadt wie ein weißgrauer Amboss aus Watte und nivelliert die Skyline auf eine Linie, die mit dem Lineal gezogen wurde.
Wir nutzen die Zeit und die traumhafte Wohnsituation und machen, wozu wir auch hier sind: arbeiten.
Als es dunkel wird, sehen wir endlich was.
Normalerweise reißt ein 14-stöckiges Gebäude auf Manhattan niemanden vom Hocker. Uns schon. Als der Himmel endlich den Hut hebt, bekommen wir nämlich eine weitere Ahnung davon, warum das Penthaus kostet, was es normalerweise kostet. Von der Terrasse aus haben wir einen unverbauten Blick auf die zentrale Skyline Manhattans mit dem Empire State Building als visuellem Mittelpunkt. Und all das in voller Beleuchtung. Von jetzt an genießen wir diesen ikonischen Anblick bis zu unserer Abreise.
Ein Blick um die Ecke in die andere Richtung entlang des West Broadways und wir sehen das neue World Trade Center. Leuchtend wie ein geschmückter Weihnachtsbaum.
WOW! WOW! WOW!
Ich spüre, dass sich diese kurzen Glücksmomente als ganz große Erinnerungen in mir ablegen werden.
Am nächsten Morgen erledigen wir ein paar Zoom-Calls und Besprechungen zur großartigen Zukunft von GoJump America, während uns das Wetter endlich das volle Bild auf die Stadt bietet. Wieso sich dieser Kosmos aus Beton, Stahl und Glas ausgerechnet als großer Apfel selbst vermarktet, wird sich mir wohl nie erschließen.
Und dann stürzen wir uns endlich selbst ins Getümmel.
Egal, wie oft man nach New York kommt, immer stellt sich die Sensation des Neuen ein. Jeder Besuch ist eine einzige pausenlose Begegnung mit bisher Unbekanntem und Ungesehenen. Und dennoch kommt einem alles so vertraut vor.
Wir werden Teil des Wimmelbildes aus Menschen, Werbung, Verkehr und der zum Himmel greifenden Infrastruktur. Die Vergangenheit verschmilzt vor unseren Augen mit der Zukunft, der Kommerz mit Kunst und das Chaos ordnet sich wie von einer fernen Kraft gesteuert.
Auf 69 Quadratkilometern leben 1,6 Millionen Menschen. Manhattan gilt zu den am dichtesten besiedelten Flecken auf unserer Erde.
Mike hat noch einen Termin. Unserer Wege trennen sich für die nächsten Stunden. Ich mache mich auf zum neuen One World Trade Center. In Soho kann man das 541 Meter hohe – und damit höchste Gebäude der USA – von fast jeder Straße aus erblicken.
Ich verbringe eine Weile an dem Ort, den ich zum ersten Mal 1978 besuchte und an dem damals noch zwei Türme standen.
Hier kann man über vieles nachdenken. Nicht zuletzt, wie schnell die Zeit über uns hinwegfegt und wie bedeutend oder unbedeutend all das ist, mit dem wir uns tagtäglich beschäftigen.
Ein letzter Abend. Ein letzter Morgen. Was uns von unserer Terrasse noch immer in den Bann zieht, müssen wir nun mitnehmen. Als Bilder in unseren Handies, aber mehr noch in unseren Köpfen und im Herzen. Nur dort sind sie sicher aufgehoben. Ob wir jemals wieder hier Gast sein werden, weiß nur der Himmel. Der strahlt endlich über uns, als könne er gar nicht anders.
Wir wissen es besser.
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