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Port Adelaide

Wir wollen Bus fahren. Warum uns keiner mitnimmt, obwohl wir an einer Bushaltestelle stehen und jedem Bus zuwinken wie Schiffbrüchige einem Ozeanriesen, werden wir nie erfahren. Und so enden wir wieder mal bei UBER. Diesmal fährt uns Saipradeep, ein Inder. Er lebt seit sechs Jahren in Australien, lernt Deutsch und will nach Deutschland, um dort zu heiraten. Die Deutschkurse sind teuer und er will wissen, wie lange es dauert, bis er die Sprache kann.

Als wir uns am Ziel mit „Auf Wiedersehen“ verabschieden und er uns anschaut, als hätte er „Bahnhof“ verstanden, befürchten wir, dass Saipradeep Deutschland erreichen wird, wenn er sein heiratsfähiges Alter bereits um mindestens 20 Jahre hinter sich haben wird.

Port Adelaide hat vor allem eines zu bieten: einen alten Charme, der noch immer durch die Gründerarchitektur bestimmt ist. Hinzu kommt die Meeresnähe, von der ein frischer Wind für ein angenehmes Klima sorgt. Wir wollen zum Strand. Der ist nur einen Zentimeter weit entfernt: auf dem Handy-Display. Im Originalmaßstab ist es etwas mehr. Nach 2 km Fussmarsch bei wolkenlosem Himmel und angenehmen 22 Grad, beschließt die Frau des Hauses, dass sie doch keinen Strand sehen will. Viel lieber möchte sie jetzt sofort in der zur Touristenattraktion ausgebauten Halle stehen, mit den vielen Ständen, die sinnloses - meist in Asien hergestelltes - Zeug verkaufen.

Die Kolonne macht kehrt. Um der Abwechslung und allgemeinen Bildung wegen, variiert der Reiseleiter den Rückweg. Dies erklärt er wie immer liebevoll und geduldig seiner Begleitung. Auch wie immer, hört sie nicht hin oder versteht nicht, was ihr Mann sagt.

Die alternative Route ist weder malerisch noch anderswie richtig schön (aber mal was anderes). Einige Teilnehmer der Reisegruppe verfallen in altbekannte Verhaltensmuster.

Die Schritte der kleinen rothaarigen Frau werden trippelnder, die Besserwissereien penetranter und die Scheidungsandrohungen lauter.

Der Reiseleiter kennt das alles schon. Mit blumigen Worten und in den leuchtenden Farben beschreibt er die Marketenderwaren, die in einer überdimensionierten Halle ganz allein auf die Gemahlin warten und die man an Ort und Stelle gleich in Überseecontainer verpacken und gen Heimat schicken kann.

Diese paradiesischen Aussichten halten die Frau davon ab, sich einfach fallen zu lassen. Sie schleppt sich ins Ziel und kann das Schild mit den Öffnungszeiten nur noch verschwommen erkennen. Mit einem Hauch von ehrlicher Anteilnahme liest der Gemahl vor: Geöffnet Sonntags und Montags. Und an Feiertagen.

Heute ist Mittwoch. Stinknormaler Arbeitstag.

Die ansonsten energische Frau kehrt schweigsam in sich. Der Gatte ist besorgt.

Die Rettung bringt ein nahegelegenes Einkaufszentrum.

Wie jedesmal, wenn die Rote in den Tiefen unergründlicher Regalreihen verschwindet, fragt sich der Gemahl, wie lange es diesmal dauern wird und ob das vielleicht sein letzter Blick auf die Angetraute war. Er packt seinen mobilen ebook Reader aus. Wie viele lehrreiche und unterhaltsame Stunden wurden ihm schon beschert, in denen er Weltliteratur studieren oder Fremdsprachen lernen konnte, während er tagelang, zwischen an Fahrradständen angeleinten und verlassenen Hunden, wartete. Vielleicht sollte er die Zeit zukünftig nutzen, um ein Musikinstrument zu erlernen.

Noch vor Sonnenuntergang kommt die Frau wieder. Mit leeren Händen. Mittelmässig schlecht gelaunt. Sie hat nichts gefunden. Der Tag endet dennoch nicht in einer Katastrophe. Ein Pharmaziegeschäft (zu deutsch Drogerie), so groß wie IKEA in Spandau, bringt endlich Erlösung. Mit einer Packung Papiertücher und 5 Wattestäbchen für die Ohren, verlässt die Frau überglücklich den Laden.

Als wir etwas später sogar per Bus zurückfahren, ist das Resümee eindeutig: es war ein schöner Tag.

 

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