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Großstadtdschungel

von (Kommentare: 1)

Bevor es ins Grüne geht, wird’s grau. Baustoff statt Bäume. Mega-City statt Urwald.

São Paulo ist unsere erste Station auf den Weg in den Amazonas. Die Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates und die größte Stadt Brasiliens ist das wichtigste Wirtschafts-, Finanz- und Kulturzentrum des Landes sowie ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Im Stadtgebiet von São Paulo leben rund 12,396 Millionen Menschen. Rechnet man die Peripherie hinzu, kommt man auf rund 22 Millionen.

Bislang gehörte São Paulo nicht zu meinen ausgewiesenen Wunschdestinationen. Menschenmassen, Infrastruktur am Rande des Kollaps, Dreck, Kriminalität. All das hat der Berliner ja Daheim vor der Haustür. Dafür muss er nicht verreisen. Sao Paulo ist daher nicht Ziel, sondern nur Zweck, um in Brasilien ein- und von dort aus weiterzureisen.

Bis es also in den Norden geht, bleiben anderthalb Tage zum Akklimatisieren, verbunden mit einem kleinen Sightseeing-Programm, das Reiseveranstalter Hapag Lloyd uns und den 80 anderen mitangereisten Gästen anbietet. Solche Bus- und Gruppenreisen sind zwar gar nicht so unseres, aber machen angesichts unserer Sprachkenntnisse (nicht vorhanden) und Ortskenntnisse (nicht vorhanden) mehr Sinn, als die Zeit im Hotel abzuwarten.

Ab Mittag geht es also los zu einem 4-stündigen Speed-Dating mit der Stadt. Genauer gesagt, mit einigen ausgewählten Punkten, die unseren Horizont über São Paulo ein wenig erweitern sollen. Und das tun sie in der Tat.

Die plakativen Stopps geben uns einen Eindruck und mildern mein persönliches Vorurteil zumindest deutlich. Zu offensichtlich sind die deja vu: Ob Berlin, Los Angeles oder Buenos Aires, all diese Orte zeigen exemplarisch, dass sich die Entwicklung einer großen Stadt ab einem gewissen Zeitpunkt jeder Planung und kontrollierten Entwicklung entzieht.

Sie alle liegen in ständigen Kämpfen mit sich selbst: Vergangenheit gegen Zukunft. Aufbau gegen Abriss. Verschandelung gegen Ästhetik. Das Schöne geht Hand in Hand mit dem Hässlichen. Das Interessante findet sich in Nachbarschaft zum Profanen. Um ein wirkliches Urteil über solche Orte zu fällen, benötigt es Zeit. Und die haben wir nicht.

Am Ende ist klar, was auch vorher klar war. DAS São Paulo gibt es ebenso wenig wie DAS Berlin. Großstädte sind riesige Flickenteppiche, in denen über viele Epochen hinweg zusammengefriemelt wird, was oft nicht zusammenpasst.

Immerhin hat der kurze Ausflug die Neugier für São Paulo mehr gefördert als die Ablehnung.

Es ist dunkel, als die Tour zum Ende kommt. Hunger stellt sich ein. Die Rote hat Lust auf Steak. Ein kurzer Spaziergang um den Block und es findet sich ein ortsübliches Restaurant mit einheimischer Karte, in ausschließlich einheimischer Sprache.

Da der nette Kellner nur portugiesisch spricht und wir nicht, beginnt der filmreife Versuch, das Angebot auf der Speisenkarte zu dechiffrieren. Nach 10 Minuten ist die Rote völlig entnervt und will ein Omelett. Das liest sich auf der Karte wie bei uns. Nun wird der Graue grundsätzlich und energisch. Wenn die Frau Fleisch möchte, soll sie Fleisch bestellen und keine Eier.

Mit Google, Händen, Füßen und Urlauten, von denen der Graue annimmt, dass sie wie portugiesisch klingen, wird bestellt. Zuversichtlich, dass es Fleisch ist, aber nicht 100 % sicher.

Was kommt, ist ein halbes Rind, in Streifen geschnitten und bis zur Perfektion auf dem Holzkohlegrill gegart, sekundiert von einer Schubkarre voll Sättigungsbeilagen. Die Rote weint vor Glück und ist froh, dass sie die Portion für eine und nicht für zwei Personen bestellt hat und haut rein.

Der Abend findet seinen gelungenen Abschluss mit einem ausgedehnten Zug durch diverse Drogerien und den Kauf einer Packung Oreo Kekse. Die Rote ist happy. Was will der Graue mehr?

 

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Kommentare

Kommentar von Elke Beerhalter |

Ein herzliches ola aus Berlins Pirselwetter. Sonderzeichen über dem a nicht gefunden.
Es gefällt mir sehr gut, Nachbarn beim Reisen zuzusehen und über die Eindrücke zu lesen.
Wir können später Eindrücke „tauschen“ Südamerika gegen Ostafrika. Ich freue mich über die morgendlichen Berichte sehr! Und wieder Hapag Lloyd!

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