Füttern verboten
von Peter Schäfer (Kommentare: 0)
Schöner als der bloße Besitz einer Jahreskarte für Zoo, Tierpark und Aquarium in Berlin ist der persönliche Besuch der besagten Anlagen. Coronabedingt war uns das leider eine gefühlte Ewigkeit versagt. Endlich vom Maskenzwang befreit, katapultieren sich nun die besagten Kurzausflugsziele im Berliner Stadtgebiet wieder in die vordersten Ränge sinnvoller Freizeitgestaltung von Rot und Grau. Nach dem Zoologischen Garten vor zwei Wochen reisten wir diesmal bei allerschönstem Wetter für einen Tagesausflug in den östlichen Teil der Bundeshauptstadt. Dort, im Ortsteil Friedrichsfelde, findet sich mit 160 Hektar Fläche der größte Landschaftstierpark Europas.
Das Schöne an der Berliner Wahlmöglichkeit zwischen Zoo und Tierpark ist, dass beide unterschiedlicher kaum sein können. Dabei lassen sich ihre jeweiligen Eigenschaften und Vorzüge nicht gegeneinander ausspielen: Der Zoo kann den Tierpark nicht ersetzen und umgekehrt. Wer zum Beispiel ununterbrochen Getier um sich haben möchte, wird sich im Zoo gut aufgehoben finden. Für ausgedehnte Spaziergänge durch eine fantastische Parkanlage mit weitläufigen und großzügigen Gehegen ist hingegen der Tierpark unschlagbar.
Dass Berlin gleich zwei zoologische Anlagen bereithält, liegt in der turbulenten Geschichte dieser Stadt begründet. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges befanden sich die Reste dessen, was vom einstigen Zoo übriggeblieben war, im Westteil der geteilten Stadt. In Ost-Berlin fehlte eine eigene tiergärtnerische Einrichtung. Zehn Jahre nach Kriegsende wurde daher der Schlosspark Friedrichsfelde als geeignete Fläche ausgewählt, um das zu ändern. Am 2. Juli 1955 öffnete der neue Tierpark mit etwa 400 Tieren und 120 Arten. Im Laufe seiner Geschichte wurden daraus bis zu 10.000 Lebewesen mit über 1000 Arten.
Der historische Teil des Tierparks wird durch das Schloss Friedrichsfelde und seine Gartenanlagen bestimmt. Der von Lenné 1821 umgestaltete Landschaftspark diente als Basis für den Aufbau des Tierparks. Er blieb weitgehend erhalten und wurde den Bedingungen eines zoologischen Parks angepasst. Noch heute ist vor allem der alte Teil des Tierparks geprägt von breiten Alleen, naturbelassenen Waldbeständen und großzügigen Tieranlagen, die oft nur durch Wassergräben vom Besucher getrennt sind. Der Tierpark wird damit zu einer der großen und grünen Oasen in der Beton- und Asphaltwüste der Hauptstadt. Und einen eigenen U-Bahn-Anschluss (U5) gibt es ebenfalls.
Geschichtsträchtig ist der Tierpark allerdings nicht nur in Bezug zur Stadt Berlin. Auch in der erlebnisreichen Beziehung zwischen der Roten und dem Grauen spielt er eine nicht unwesentliche Rolle.
Der Graue besuchte 2012 erstmals den Tierpark, auf Vorschlag einer kleinen rothaarigen Frau aus dem Bezirk Hellersdorf. Die beiden waren sich bei der Suche nach anspruchsvoller Freizeitgestaltung auf wundersame Weise begegnet. Der Besuch im Tierpark war ihr zweites Zusammentreffen.
Erst viel später wurde dem Grauen klar, dass die Rote nicht nur über einen jahrzehntelangen Heimvorteil bei dieser Liegenschaft verfügte, sondern den auch zielgerichtet für sich zu nutzen wusste. Bereits als kleines Kind war sie von ihrer Mutter durch den Park geschoben worden. Später schob sie ihre eigene Tochter über das Gelände, vorbei an Käfigen und Gehegen. Sie wusste also - im Gegensatz zu ihrem männlichen Begleiter - wie kräftezehrend ein stundenlanger Aufenthalt hier werden kann. Regelmäßige Pausen und Proviantierung sind quasi überlebensnotwendig. All das konnte der Graue nicht ahnen. Ein Umstand, den die Rote geschickt für sich zu nutzen wusste.
Im Wandel der Zeiten. Die kleine Simone mit ihrer Mutti in den 1960er Jahren (li.) In den 1990er Jahren begleitet die große Simone ihre kleine Sophia in den Tierpark.
Mit Speck fängt man Mäuse
Auf einer Parkbank rastend, mit Wölfen im Rücken und Kamelen vor Augen, versuchte der Graue damals ein geistreiches Gespräch einzuleiten, als seine weibliche Begleitung wortlos ein vollständiges Tupperdosen-Sortiment aus den Tiefen ihrer Handtasche zauberte. Die Plastikboxen waren angefüllt mit Pizzaschnecken und Schoko-Brownies. Alles vegetarisch. Alles selbst gebacken. Alles köstlich.
Erst Jahre später, auf dem Standesamt, wurde dem Grauen klar, dass der Ringtausch seinen Anfang auf einer Bank im Tierpark genommen hatte. Dass die selbstgefertigten Köstlichkeiten Bestandteile eines ausgeklügelten Plans waren, streitet die Rote allerdings noch immer vehement ab.
Neun Jahre, zahlreiche weitere Besuche und eine lange Corona-Pause später, finden sich die beiden nun am selben Ort wieder. Bis auf die Ringe an den Fingern und ein paar zusätzliche Falten um die Augen hat sich nichts geändert. Das heißt, etwas schon: statt selbst gebackenen gibt es nun selbst gekaufte Kekse aus dem Supermarkt. Die schmecken nicht halb so gut wie der Anbahnungsproviant der Roten aus dem Jahre 2012. Doch solange der Graue schluckt, was ihm die Rote serviert, tut es der gegenseitigen Zuneigung nach wie vor keinen Abbruch.
Von Pizzaschnecken 2012 zu Keksen 2021.
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