Ende Gelände
von Peter Schäfer (Kommentare: 1)
Man kann der Ansicht sein, dass der Mensch nur zu Gast auf dieser Welt ist und die Natur sein Zuhause. In diesem Fall gehört die Prudhoe Bay zu den Gegenden, die nur mit der Brechstange zugänglich sind.
Ende der 1960er Jahre wurde hier das größte Ölfeld Nordamerikas entdeckt, aus dem in den Spitzenzeiten der 1980er Jahre täglich über 1,5 Millionen Barrel Öl (ca. 240 Millionen Liter) gefördert wurden. Heute liegt die tägliche Fördermenge nur noch bei knapp 300.000 Barrel pro Tag. Trotzdem bleibt Prudhoe Bay eine zentrale Quelle für die US-amerikanische Ölversorgung. Wir erfahren, dass hier noch immer etwa 5% des täglichen Bedarfs der USA aus der Erde geholt werden.
Obwohl die Prudhoe Bay damit zu einer bedeutenden industriellen Region wurde, gab es nie eine dauerhafte, große Wohnbevölkerung. Etwa 3.000 Menschen halten sich hier oben ständig auf. Sie arbeiten in 12-Stunden-Schichten drei Wochen ohne freie Tage durch, bevor sie wieder ausgeflogen werden.
Nichts hier draußen ist einladend. Nicht die Landschaft. Nicht das Klima. Und schon gar nicht das, was der Mensch hier aufgebaut hat, um den extremen Bedingungen zu trotzen.
Alles, was Mensch hier braucht, muss herangekarrt werden. Nicht nur schweres Gerät. Selbst Trinkwasser wird mit Tanklastwagen in die Tundra gefahren. Das Aurora Hotel, in dem wir wohnen, muss jeden zweiten Tag mit Frischwasser versorgt werden. In vier Tanks werden 76.000 Liter vorgehalten. Wenn der Nachschub ins Stocken gerät, wird als erstes die Wäscherei gestoppt. Als Nächstes ist Schluss mit Duschen. Da auch das Abwasser von hier zurück in die Zivilisation gebracht wird, kann man sich ausrechnen, ab wann bei Verzögerungen die arktische Luft sich mit einer schwefeligen Note anreichert.
Die harschen Umweltbedingungen, die langen und harten Arbeitstage werden für die meisten nur durch die Entlohnung erträglich. Hier wird überdurchschnittlich gut verdient. Und das gilt für alle, egal ob hochspezialisierte Ingenieure, Fahrer, Köche oder die Reinigungskräfte in den Unterkünften.
Arbeit ist in der Prudhoe Bay nicht nur die beste, sondern fast die einzige Möglichkeit, um die Zeit rumzukriegen, ohne schwermütig zu werden. Es gibt keine Restaurants. Kein Kino. Keine Kneipen. Die Hotels haben immerhin eigene Kraft-und Fitnessräume. Wer schwimmen will, dem bleibt nur das Meer. Auch wir buchen eine Fahrt zum Strand. Es ist zwar nicht das beste Badewetter, aber irgendwas ist ja immer. Dazu müssen wir einen kostenpflichtigen Shuttle-Service nutzen, denn die Bademöglichkeit schließt sich unmittelbar an die Hochsicherheitszone eines Ölfeldes an. Außer uns sind noch zwei weitere Kurzurlauber mit von der Partie.
Während der Shuttle-Fahrer und ein anderer Gast sich komplett in das fünf Grad warme Wasser stürzen, nimmt Mike ein erfrischendes Fußbad. Ich habe leider meine Badehose vergessen. So bleibt mir nur, vom Ufer aus den fröhlichen Badegästen etwas neidisch zuzusehen.
Nächstes Mal gehe ich auch mit rein. Ganz bestimmt.
Kommentare
Kommentar von Klaus |
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