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Ein seltsames Paar

von (Kommentare: 1)

Auszug aus dem Drehbuch „Heißa, dann ist Weihnachtstag“

Wundert Euch nicht, wenn es sich nicht ganz so liest wie ein Roman oder eine Kurzgeschichte. Ein Drehbuch folgt eigenen technischen Anforderungen. Es dient schließlich als Arbeitsgrundlage für Dreharbeiten zu einem Film.

Jeder Szene oder jedem Bild werden Ort und Zeit vorangestellt. Es folgt eine kurze Beschreibung des sichtbaren Hintergrundes und natürlich werden die handelnden Personen eingeführt und benannt. Der Rest besteht aus Dialogen. Es wird so nüchtern wie möglich nur beschrieben, was auf Bildschirm oder Leinwand zu sehen und zu hören sein wird.

Lasst beim Lesen Euren eigenen Film im Kopf entstehen. Er darf gerne in Farbe und in Stereo sein.

Fröhliche Weihnachten

Der Graue

Die Geschichte:

Drei Wochen vor Heiligabend schmeißt der echte und einzige Santa Claus seinen Job: Burn-Out, Mid-Life Krise, keinen Bock auf gar nichts mehr.

Das Weihnachtszentrum und der weihnachtliche Geheimdienst CIA (Christmas Intelligence Service) sind in heller Aufruhr. Wenn der Weihnachtsmann nicht mehr mitspielt, kann es auch kein Weihnachten geben. Ein Plan B für ein solches Szenario existiert nicht. Santa muss mit allen Mittel dazu gebracht werden, seiner weihnachtlichen Pflicht nachzukommen. Doch Santa ist schneller als das System: Er verlässt heimlich das Weihnachtszentrum und versucht sein Glück allein, weiter südlich, zwischen normal Sterblichen.

Die Frage, die bis zum Schluss offenbleibt, ist, ob es dem mächtigen Weihnachtssyndikat gelingt, Santa zu finden und vor dem 24. Dezember wieder in die Spur zu bringen.

Was vor der Szene geschieht

Santa hat völlig unterschätzt, wie kompliziert das Leben für einen ungelernten, übergewichtigen, schlecht frisierten alten Mann auf der Erde sein kann. So stellt sich auch die Wohnungssuche - ohne Job und ohne Geld - als echte Herausforderung dar.

Um überhaupt ein Dach über den Kopf zu bekommen, lässt sich Santa von einem Makler einen baufälligen Stall andrehen. Im Gegenzug muss er als Kaution seine wertvolle Armbanduhr hergeben. Dieses wundervolle Unikat von unschätzbarem Wert soll Santa zurückbekommen, sobald er seine Mietschulden begleicht. Dazu kommt es allerdings nicht, weil der Makler untertaucht. Santa wird seine Uhr nie wiedersehen.

Das ist einer von vielen Tiefschlägen, die Santa einstecken muss. Die besagte Szene beginnt, als Santa nach einem mühsamen Arbeitstag erschöpft den Stall erreicht, wo er nur noch zur Ruhe kommen will.

Die Szene

 

FELDWEG  -   AUSSEN/NACHT

Einsam und allein nähert sich Santa dem Stall. Leise fluchend stolpert er durch die Dunkelheit.

STALL   -   INNEN/NACHT

... ein Streichholz flammt auf. Santas Gesicht leuchtet gespenstisch. Er greift einen Kerzenstummel. Entzündet ihn. Er stellt eine Einkaufstüte ab. Das fahle Kerzenlicht leuchtet den kleinen Raum aus. Er stutzt. Fixiert seine Pritsche. Irgendetwas liegt darauf. Es ist ein menschlicher Körper. Santa stupst ihn an.

SANTA: Du hast dich in der Hausnummer geirrt.

Die Person schreckt auf. Hat aber sofort die Kontrolle über sich. Es ist EIN MANN, Anfang 30. Er sieht ziemlich runtergekommen aus. Wie ein Penner. Doch etwas ist anders. Seine Gesichtszüge sind fein und jugenhaft. Er strahlt Autorität und Persönlichkeit aus. Seine Haare sind schulterlang und glatt.

JUNGER MANN: Oh. Ich wusste nicht...

SANTA: Ich wusste auch nicht, dass man hier wohnen kann.

JUNGER MANN: Tut mir leid. Alte Ställe... Lösen bei mir immer so ein Heimatgefühl aus.

Santa nimmt neben dem Mann Platz. Kramt in seiner Tüte. Er packt einen Pappdeckel aus, auf dem ein Stück Pizza klebt. Santa drückt es dem Mann in die Hand. Jetzt zaubert er eine Flasche Tequila aus der Tüte.

SANTA: Ist nicht viel. Aber du siehst aus, als hättest du es nötig.

Der Mann löst das Stück Pizza von der Pappe. Bricht ein Stück ab. Reicht es Santa. In Rekordgeschwindigkeit verschwindet der Happen in Santas Mund. Der junge Mann nimmt selbst ein Stück. Kaut andächtig. Santa hält dem Mann die Schnapsflasche hin. Der nimmt einen kleinen Schluck. Gibt sie Santa zurück. Der nimmt einen großen Schluck.

JUNGER MANN: Und was machst du so?

SANTA: Ich hab in der Weihnachtsbranche gearbeitet. Such mir aber grad was Neues. Und du? Hast du auch mit Weihnachten zu tun?

JUNGER MANN: In gewisser Weise.

SANTA: Dann sind wir Kollegen.

JUNGER MANN: Gut möglich.

SANTA: Das heißt: waren Kollegen. Ich will damit nichts mehr zu tun haben.

JUNGER MANN: Aha?

SANTA: Sieh dir doch an, was aus Weihnachten geworden ist. Der Tag, an dem der Heiland geboren wurde. Dass ich nicht lache. Was ist denn davon geblieben?

Santa kramt einen Joint hervor.

SANTA: Völlerei, Trunksucht, eine Materialschlacht von Geschenken. Ich mach das jedenfalls nicht mehr mit.

Santa hält den Joint gegen das Kerzenlicht. Bietet ihn dann dem Mann an.

JUNGER MANN: Ich rauche nicht.

SANTA: Ich auch nicht. Ist gutes altes Gras.

JUNGER MANN: ....?

SANTA: Dope. Marihuana. Bisschen locker werden in dieser traurigen Zeit.

Santa steckt den Stick an. Zieht, inhaliert, hält die Luft mit dicken Backen an. Dann reicht er das Teil an den Mann weiter.

JUNGER MANN: Ich bin irgendwie mehr für Myrrhe und Weihrauch.

SANTA: Knallt das?

JUNGER MANN: Keine Ahnung. Hab´s als kleines Kind mal passiv inhaliert.

Der junge Mann nimmt einen zögerlichen Zug.

SANTA: In was für ´ner Klitsche bist du denn groß geworden?

JUNGER MANN: Ach. Das ist eine ganz lange Geschichte.

SANTA: Hört sich so an, als ob du sie schon ein paar Mal erzählt hast.

JUNGER MANN: So ungefähr. Meistens erzählen sie aber andere Leute.

SANTA: Deine Geschichte?

JUNGER MANN: Eigentlich erzählen sie, was sie für meine Geschichte halten.

SANTA: Das versteh ich jetzt nicht.

JUNGER MANN: Wie die Menschen so sind. Ihr Geist ist schwach entwickelt. Sie suchen nach Haltepunkten für ihr armes Leben. Nach Bildern und Symbolen. Der gebärenden Jungfrau, dem Mann am Kreuz.

Santa zieht am letzten Rest seines Joints.

SANTA: Das klingt jetzt aber verdammt nach Gotteslästerung.

JUNGER MANN: Oder Selbsterkenntnis, Santa.

Santa bläst den Rauch in die Luft.

SANTA: Woher kennst du meinen Namen?

Santa nimmt die Flasche. Setzt an. Stutzt. Hält die Flasche von sich weg. Die ist noch fast voll. Santa blickt auf die Flasche. Dann fixiert er den Mann.

SANTA: Sag mal. Spuckst du da rein?

Jetzt fällt Santas Blick auf die Pizza. Das Stück ist genauso groß wie zu Beginn. Er sieht den Mann an. Der lächelt ihn an. Santa zuckt zusammen. Der stummelige Rest seines Joints verglüht soeben seine Fingerspitzen. Santa dreht sich zur Seite und drückt die Glut am Boden aus.

SANTA: Wie heißt du überhaupt, Kumpel?

Santa dreht sich wieder um. Niemand da. Der Mann ist verschwunden. Santa blickt sich um.

SANTA: Verdammt. Hab ich jetzt Hallus? Ich hab den Typen doch schon vor der Tüte gesehen.

Santas Blick fokussiert auf die Stelle, auf der kurz zuvor der Mann saß. Da liegt was. Es glänzt. Santa beugt sich vor. Greift zu. Es ist seine Armbanduhr.

SANTA: Jesus, Maria und Josef!!!

 

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Kommentare

Kommentar von Dieter |

Pjotr, Du hast mir ja schon einmal vor längerer Zeit ein Drehbuch anvertraut und auch nur nach diesem kurzen Einstieg bei Santa bin ich begeistert und es macht mich sehr neugierig was noch passieren wird. Ich ziehe echt meinen Hut vor EUCH Drehbuch Schreibern. Wie groß mag der Schrank sein und vor allem wieviel Schubladen hat er woraus ihr all eure Geschichten zusammenbaut um letztlich ein Buch daraus zu machen.

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