Des Kaisers neue Bäder
von Peter Schäfer (Kommentare: 0)
Wilhelm II., ehemals Kaiser von Deutschland, hatte ein Vorliebe für Usedom. Er mochte das milde Inselklima und hielt sich gelegentlich in Swinemünde (polnisch: Świnoujście), Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin auf. Diese Orte verbindet bis heute eine 12 Kilometer lange Strandpromenade sowie ihre ehemalige Beförderung in den Adelsstand als "Kaiserbäder".
Wer in Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwas auf sich hielt, verlebte den Sommer auf der Sonneninsel an der Ostsee. Künstler, Schauspieler, Industrielle und natürlich die Ministerialbürokratie des Deutschen Kaiserreiches versammelten sich hier in exponierter Lage, in Strandnähe und in schönen Villen. Hier nahm ein Baustil seinen Anfang, der später unter dem Begriff Bäderarchitektur bekannt wurde: ein Zusammenspiel aus Baumerkmalen verschiedener Epochen wie Klassizismus, Historismus und Jugendstil.
Inzwischen wurde der Kaiser nicht nur mit seinem Bade ausgeschüttet. Das tut der Selbstvermarktung der Insel allerdings keinen Abbruch. "Kaiserbäder" klingt noch immer vielversprechender als "Badewanne Berlins", zu der die Hauptstädter die Ostseeinsel bereits vor langer Zeit kodderig-liebevoll umgetauft hatten.
Matjes statt Majestät
Was einst mondän war, ging mit der Zeit und wurde nachhaltig modern(isiert). Ein Ende ist nicht abzusehen. Jeder freie Platz wird zugebaut. Wohnraum wird geschaffen für Teilzeitbewohner und Stadtflüchtende. Tschüss Bäderarchitektur. Willkommen Einheitsbauweise.
Wie fast überall, tragen auch auf Usedom geduldete und geförderte Bausünden in Kombination mit den Auswirkungen des Massentourismus vielerorts zu optischen Verwahrlosungen bei, die oft nur eine Beleidigung für jedes sehfähige Auge sind.
Aus den armen, ortsansässigen Inselfischern von einst sind längst Unternehmer geworden, die nicht mehr nach Meeresfrüchten auf die Jagd gehen, sondern ihre Netze nach zweibeinigen Fischen mit locker sitzenden Zahlungsmitteln auswerfen.
Tierisch was los
Nach zweijähriger Corona Abstinenz stürmen die Besucher zurück an Strand und Meer und sind dabei deutlich schneller als all die entlassenen, freigestellten oder weggezogenen Servicekräfte, die bislang noch nicht wieder auf die Insel zurückgefunden haben.
Wer außer deutsch noch über andere - vorzugsweise osteuropäische - Sprachkenntnisse verfügt, ist klar im Vorteil. Vorausgesetzt, man bekommt im Restaurant überhaupt einen freien Tisch.
Wo auch der Kaiser einst zu Fuss hinging, hat sich in den letzten 100 Jahren einiges verändert. Geblieben sind frische Luft, endloser Himmel und weites Meer.
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