Ciao, Alter!
von Simone Keil (Kommentare: 1)
Als ich am Donnerstag, den 23.03. wach werde, ist der Graue wieder verschwunden. Er hat sich – wie immer auf Reisen – im Dunklen davongeschlichen, um seinen Stammplatz auf dem Pooldeck einzunehmen. Hier macht er Fotos von Sonnenaufgängen, die ich nie live sehen kann, weil ich mit dem Frühaufstehen so meine Probleme habe.
Ein Blick aus dem Kabinenfenster zeigt mir: Das Wasser ist nicht mehr braun, sondern bläulich-grün. Ich habe das Naturschauspiel verpasst, wie die beiden Flüsse Rio Tapajos (blaugrün und klar) und Rio Amazonas (braungrau) mit ihren verschiedenen Farben ineinanderlaufen.
Im Dunkeln haben wir Santarem passiert, der Graue zeigt mir später Fotos einer hellerleuchteten großen Stadt am Ufer. Auch das habe ich verschlafen.
Ich werde also wach vom Herablassen der Ankerkette. Rot und Grau treffen sich zum Frühstück - und wir sehen über der Reling den niedlichen Berg, den einige der Gäste heute besteigen wollen. Er ist ca. 100 Meter hoch, und von oben soll man einen schönen Blick haben. Wir wollen nicht bergsteigen, wir haben Urlaub und lassen uns die Papaya zum Frühstück schmecken, während die Wanderer in die ersten Zodiacs steigen.
Später setzen auch wir über zum kleinen Ort Alter do Chao, einem kleinen, aber sehr beschaulichen Fischerdorf mit ca. 3000 Einwohnern. Die Landschaft ist ganz sanft hügelig, und so manches kleine Häuschen sieht aus, als könnte man es dort mit Blick auf die romantische Bucht gut aushalten. Gutsituierte Städter haben diese „Karibik des Amazonas“ als Wochenendresidenz entdeckt. Ein paar Yachten und viele kleine Boote schaukeln auf dem Wasser, wir sehen an den Ufern weiße Strände. Den Ort erkunden wir auf eigene Faust, 10 Minuten nach rechts und 10 nach links. Ein paar Musiker haben sich aufgestellt, Mädchen mit bunten Röcken schwingen im Rhythmus ihre Rüschen. Wir genieren uns, weil wir nicht mal im Besitz von Bargeld sind, um was in den Hut zu werfen. Einen Geldautomaten suchen wir vergebens, auch hier.
Am Ende der Straße winkt uns ein Typ über die Gartentür zu sich herein. Er fragt nach dem Schiff, mit dem wir gekommen sind, und schon stehen wir in seinem Freiluftwohnzimmer, dessen Mittelpunkt ein riesiger Büchertisch ist. Interessiert blättern wir in den zahlreichen Schätzen, die da herumliegen. Der „Typ“ ist Gil Serique, wie wir erfahren, eine ortsansässige Berühmtheit. Er organisiert Touren, hat Bücher über die Tierwelt des Amazonas veröffentlicht, lebt hier, empfängt Gäste, kennt sich aus. Er freut sich wie verrückt über unser Interesse, zeigt uns mit großem Enthusiasmus sein Grundstück, seine Pflanzen, seine Schmetterlinge, seine Vögel und seinen Jaguar, der im Baum sitzt und auf das kleine Paradies herunterschaut. Gil knackt ein paar Paranüsse für uns, bietet uns herrlich frischen Kokoswasser an und ist einfach absolut begeistert über unseren Besuch. Wir würden so gern eines seiner kleinen Büchlein mit großartigen Fotos über die Tiere am Amazonas kaufen, wir erklären unser Dilemma mit dem Bargeld. Gil zuckt nicht mit der Wimper. Er schenkt uns zwei und schreibt uns zur Erinnerung noch eine warmherzige Widmung rein.
Wir sind unglaublich erfreut über die unerwartete und herzliche Begegnung am Ende der Straße.
Wir verabschieden uns mit Umarmungen, und als wir später das Schiff erreichen, haben wir schon eine Email von Gil im Postkasten, die uns fast beschämt: ER bedankt sich bei uns für die schöne Begegnung und wünscht uns eine gute Reise!
Danke, Gil! Das sind die Begegnungen, die uns das Herz für dieses schöne Land geöffnet haben. Du warst eine davon!
Am Nachmittag lädt Hapag zu einem BBQ an den Strand ein. Vom Balkon aus sehen wir, wie die Mannschaft Tische und Stühle, Geschirr und Gläser, Tischdecken und Behältnisse, Kästen und Kisten in den Zodiacs verstaut und vom Schiff rüber an den Strand transportiert. In strahlendem Sonnenschein sitzen wir mit weißen Tischdecken an einem weißen Strand, mitten im Amazonas, und können selbst nicht glauben, was wir hier gerade erleben. Und selbst der Regenguss, der schleusenartig und prasselnd auf uns niedergeht, so schnell, dass wir kaum die Capes aus dem Rucksack zerren können, kann uns überhaupt nicht ein bisschen die Laune verderben. Das Wasser ist warm, das Wetter ist tropisch, und es ist Regenzeit am Amazonas.
Wir sind nass bis auf die Haut. Kein Grund, sich aufzuregen. Wir finden es herrlich.
Kommentare
Kommentar von Dieter |
Was ist denn mit Euch beiden ? Ihr seid ja fast die einzigen die wohl aus Zucker sind und unter Palstik verweilen.
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