Buchtipp: "Bin im Garten"
von Simone Keil (Kommentare: 3)
Von 0 auf 1 in meiner 2021-Bücher-Hitliste
Bereits vor ein paar Jahren hat das Buch „Das große Los“ der Autorin Meike Winnemuth mein Leben geändert. Sie, die bei Günter Jauch eine halbe Million gewonnen hatte und damit ein Jahr um die Welt reiste, resümierte nach 12 Monaten beim Nachhause kommen: Hätte sie gewusst, dass es auch ohne die halbe Million möglich gewesen wäre, hätte sie es viel früher gemacht. Man muss nur einfach machen. Anfangen… Den Plan umsetzen.
Ihr Fazit ermutigte damals uns, ohne ein derartiges finanzielles Polster und wenigstens für drei Monate auszusteigen und uns fern von zuhause umzuschauen. Ihre Reiseberichte waren so viel mehr als Beschreibungen der Erlebnisse und Ortschaften. Ich hab ihr Buch verschlungen und ihre Art, die Reise zu rekapitulieren, innerlich eingeatmet – ich wollte GENAU DAS, was sie hatte. Diese grenzenlose Freude, ansteckend, ungebremst.
So kam es, dass ich unterwegs oft an sie dachte, und dies nicht nur an den Orten, an denen sie vor uns war. Ihr großer Trip kreuz und quer durch die Welt war länger und umfangreicher als unsere 12-wöchige Auszeit. Trotzdem: Was sie mitgenommen hatte, haben auch wir nach Hause gebracht: Sowas ändert den Blickwinkel auf das Leben für immer.
An all das dachte ich jetzt, als ich das neue Buch „Bin im Garten“ in den Händen hielt. Aha, die Frau Winnemuth macht jetzt auf Garten?! Was ist denn mit ihr los? (Das Buch ist vor Corona geschrieben, also kein Produkt des „Lockdown“.) Geht sie nicht mehr auf Reisen?
Und ich musste lachen, als ich beim Aufschlagen der ersten Seite genau diese Frage sofort beantwortet bekam: Frau Winnemuth hat dieselbe Frage wahrscheinlich unzählige Male gestellt bekommen und deshalb gleich vorneweg beantwortet: Sie hat sich einen Hund angeschafft und will sesshaft werden. So einfach ist das…
Aber jetzt: Ein Gartenbuch??? Ob ich dem Thema was abgewinnen kann? Mein Balkon ist 2 mal 3 Meter, wenn’s hochkommt. Mehr als ein bisschen Lavendel und eine schwarzäugige Susanne habe ich noch nicht zustandegebracht. Für einen Garten fehlt mir so ziemlich alles: Das Interesse, die Lust, das Wissen, die Bindungsfähigkeit – nicht zuletzt: Der Garten. Ich gucke mir gern die wirklich schönen botanischen Gärten überall auf der Welt an, aber eine selbstgezogene Gurke weckt in mir: Gar nichts….
So ging ich also an das Buch heran, auf die Überraschung wartend. Und Frau Winnemuth hat mich nicht enttäuscht: Das Buch ist wie ein Garten schlechthin, man wird reich beschenkt - und ich konnte es mir nicht – wie vorher überlegt – in der Reihenfolge der Tagebucheinträge Stück für Stück einteilen. Ich konnte es NICHT MEHR AUS DER HAND LEGEN.
Das Buch ist keine Anleitung, wie man das Jahr über richtig gärtnern soll. Es ist kein Fachbuch, es ist vielleicht nicht mal ein Sachbuch. Es ist ein kleiner liebevoller Tagebucheintrag darüber, wie ein Garten ein Zuhause wird. Wenn sie schreibt, wie sie es im Frühjahr kaum erwarten kann, wie sie ihr winziges Häuschen mit Sämlingen und Pflänzchen teilt, wie sie früh mit einer Tasse Tee in der Hand als erstes durch den Garten spaziert und ihre Schätzchen begutachtet, wie sie die Pflanzenkinderstube (Wohnzimmertisch) in den Pflanzen-Kindergarten bringt (Gewächshaus) und wie sie aufgeregt jede hellgrüne Kleinigkeit begrüßt, da fällt mir plötzlich ein, wie gern ich von den Reisen Körnchen und Kernchen mitbrachte, verbotenerweise, wie ich mich freute, wenn etwas davon zuhause austrieb, wie ich gelitten habe, als meine aus einem Kern gezogene kubanische Palme nach fast 20 Jahren (!!) doch einging. Wahrscheinlich an Heimweh…. Und wie gern ich im Nachthemd auf dem Balkon stehe, in die Kästen gucke und meinen Kaffee schlürfe…
Die kleinen Fotos im Buch untermalen ganz zurückhaltend nur das, was sie schreibt. Nicht nur zum Garten. Kleine Miniaturen mit den Tomaten in allen Farben, dicke Erbsen in geplatzten Schoten, Kartoffelsorten, einzelne Blumen in Gläsern. Alles mit einem ganz liebevollen Blick fotografiert.
Zwischendurch hat sie eine Lesung zum Thema „Heimatgefühle“. Sie denkt darüber nach, was „Heimat“ eigentlich wirklich für sie bedeutet. Sie beschreibt den Moment, wenn sie hinter der Kurve in der Ferne den Leuchtturm sieht, der in der Nähe des Gartens ist. Ich lasse das Buch sinken und denke daran, wie mein Herz früher immer geklopft hat, wenn ich von irgendwo zurückkam und aus der Ferne den Fernsehturm sah. Vom Adlergestell, oder vom Flugzeug aus. Ich war wieder zuhause.
Und am Ende ertappte ich mich dabei, wie ich zum Jahresende hin wehmütig dem Buch nachtrauerte wie die Autorin dem dahinwelkenden Garten. Und bin genauso in Hochstimmung wie sie, weil Garten und Buch gemeinsam haben: Es geht alles immer und immer wieder von vorn los. Am letzten Tag des Jahres setzt Frau Winnemuth in ihrem Garten einen Strauch in die Erde.
„Alles, was ich im Garten tue, jede Blume, die ich pflanze, weist in die Zukunft. Ich grabe ein Loch in die Erde, und dahinein setze ich Hoffnung, Erwartung, Zuversicht. Ich habe lange nichts getan, das so sehr nach vorn gerichtet war. Gärtnern ist, als ob man eine große Angel nach dem Morgen auswirft.“
Ich verdrücke allen Ernstes ein Tränchen und würde gern wissen, ob das Pfaffenhütchen bei ihr eine neue Heimat gefunden hat.
Schon ab Dezember – stellt Frau Winnemuth fest, werden die Tage wieder länger. Wir merken erstmal kaum etwas davon. Der Garten schlummert sanft, nichts regt sich. Das Buch bleibt in greifbarer Nähe liegen, ich kann es im nächsten Januar von vorn beginnen.
Werde ich sicher machen. Ich freu mich schon drauf.
Kommentare
Kommentar von Lysette |
Das Buch ist der Hammer! Ideal für Menschen, die die Großstadt mit ihrer aus allen Löchern atmenden Hektik, satt haben.
Mein Garten ist mein "Reset"- Knopf geworden und das Buch der Winnemuth ist einfach nur herrlich, unterhaltsam und eine Bestätigung der Lebenslust im Garten zu jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter!
Lesenswert!
Kommentar von Martina |
Kennst du auch" Das blaue Kleid"? Oder so ähnlich. Frau Winnemuth trägt ein Jahr das selbe blaue Kleid - für mich sehr lehrreich, leider nicht von Dauer. Und immerhin hab ich es bereits 2x geschafft, für ein Jahr keine Kleidung, keine Schuhe, keine Taschen zu kaufen. Und am 1.Mai geht's damit auch wieder los...Und das Gartenbuch kauf ich morgen!
Kommentar von Klaus Heller |
Das oben erwähnte Werk "Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr" von Meike Winnemuth ist ein tolles Buch, das ich oft verschenkt habe. Ich werde es "n.C." (nach Corona) nochmals lesen und mich inspirieren lassen!
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