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Ausgegraben: Enthüllung des Jahres!

von (Kommentare: 1)

Micky Leaks

Liebe Adventianer und Adventianerinnen,

nicht alles ist, was es scheint. Und nicht überall ist drin, was draufsteht. Quasi: Mogelpackung.

Ich hatte Euch bereits vom Identitätsdiebstahl der Eiligen Nikomaus berichtet. Nun wurde mir ein neuer Skandal zugetragen. Ein guter alter Freund, Micky Kochmaus, hat ihn aufgedeckt. Er wohnt in einem beschaulichen Ort am Flusse Elbe und arbeitet dort als Gärtner im königlichen Heimatmuseum. Nachdem Micky ein Geheimnis ausgegraben hatte, muss er nun um sein Leben fürchten. Deswegen haben wir uns konspirativ getroffen. Und mehr sollt Ihr dazu auch nicht wissen. Zu Eurer eigenen Sicherheit.

Micky berichtete mir folgendes: Während er im Garten Unkraut hackte, stieß er auf einen unterirdischen Stollen. Dort fand er eine alte Schatzkiste. Aber nix mit Gold, Silber und Geschmeide. Nur Altpapier. Aus dem Jahr 1450, so um den Dreh. Micky war schon etwas enttäuscht und wollte das Zeug auf den Komposthaufen schaffen, da las er auf einem alten Pergament „Vorsicht: Lecker!“ Seine Neugier war geweckt. Er fand heraus, dass auf dem Papier ein Rezept aufgeschrieben war. Und dazu der Verfasser des Rezepts: Es stammte aus der Kursächsischen Hofbäckerei Drasdo in der Fischerstraße, die sich in der Ansiedlung Torgau befand. Den Ort gibt es übrigens immer noch. Die Straße auch. Nur wo die Bäckerei war, ist heute die Gaststätte Germer. Was für ein Zufall! Micky geht dort immer zum Frühschoppen hin. Und er hatte schon immer dieses komische Gefühl, dass dies ein ganz besonderer Ort sein muss. Vor allem, wenn er von der Gaststätte angesäuselt nach Hause wankte.

Noch im Stollen studierte Micky die Dokumente. Er fand heraus, dass es um ein Backwerk ging, mit jeder Menge Zeug drin. Vor allem Mehl, Butter, Eier, Hefe und Milch. Rosinen kamen rein, Sultaninen und Korinthen, Zitronat, und Orangeat sowie Nüsse und Mandeln. Damit das alles schön saftig blieb, hauten sie auch jede Menge Zucker drauf. Schichtweise und abwechselnd zogen sie flüssige Butter drüber, bestäubten dann alles mit Puderzucker. Das Ergebnis war wohl so schweinelecker, dass sich die Bäcker und die Torgauer gar nicht mehr einkriegten vor Freude und gar nicht genug futtern konnten von der Köstlichkeit.

Damals war es aber so, dass der Gebrauch von Butter in der Adventszeit streng verboten war. Und so dachten sie, wir holen uns mal lieber das Okay von Oben. Bevor wir noch Besuch vom Groß-Inquisitor kriegen. Also wollte der damalige Kurfürst einen Brief an den Papst schreiben, mit der Bitte, Früchtebrot mit Butter backen zu dürfen.

Echt jetzt? Denkt ihr bestimmt. An den Papst? Was hatte der denn mit der Fresserei zu tun?

Irgendwie war der Papst damals wohl auch oberster Chef von der Bäckerinnung. Ist ja auch egal jetzt. Jedenfalls hatten sie in dem kleinen Örtchen Torgau zu der Zeit einen neuen Marketingchef eingestellt, um auf der sächsischen Bekanntheitsskala zwischen den Städten Leipzig und Dresden nicht völlig abzusaufen. Der überlegte nun also, wie man dem Papst das Früchtebrot schmackhaft machen konnte, um es nach der Backgenehmigung als Torgauer Fruchtschnitte zu vermarkten. Keine einfache Sache, befand der Werbeheini, als er das fertige Brot genauer betrachtete. Es sah aus wie eine übergroße Raupenlarve. Oder wie ein eingewickeltes Baby. Er stutzte. Baby? Weihnachten? Na, da ging doch was.

Und so verklickerten die Torgauer dem Papst, dass das Übereinanderschlagen des Teiges an das eingewickelte Jesuskind erinnern soll. Und der weiße Zuckermantel an dessen Windeln. Jedenfalls an die frisch gewechselten. Und tatsächlich - der Papst hat’s abgenickt. Was interessierte ihn die Butter in Torgau, solange in Rom der Kaviar nicht knapp wurde. Das Einzige, was er dem Kurfürsten aufgab war: „Behaltet das aber für euch. Nicht, dass da jetzt jeder angekrochen kommt, damit er Butter verplempern kann. Wenn das die Runde macht, könnte ihr demnächst wieder mit Margarine backen!“

Das aber wäre für die Torgauer Höchststrafe gewesen. Und so gruben sie im Garten des heutigen Heimatmuseums einen Stollen und ließen das Rezept dort verschwinden. Und die entlarvende Korrespondenz mit dem Papst gleich dazu.

Ihrem Früchtebrot aber gaben sie den Decknamen „Stollen“.

So backten und aßen sie, was die Butter hergab. Doch irgendwer hat dann nicht dichtgehalten. Ist ja immer so. Jemand fing an und schickte Stollen rum. Nur im engen Kreis. Freunde und Verwandtschaft. Aber irgendwann landete die Delikatesse flussabwärts in Dresden. Und das war der Anfang vom Ende vom Torgauer Stollen.

Ihr müsst wissen, dass Dresden damals auch noch nicht war, was es heute ist. Auch die hatten da einen neuen Marketingchef – dessen Aufgabe es war, dafür zu sorgen, dass die Stadt nicht im Tal der Ahnungslosen versinkt. Der hatte überhaupt keinen Plan, wie er das hinkriegen sollte, bis er die erste Torgauer Fruchtschnitte verzehrte. „Das machen wir auch!“, rief er „und geben es als unsere Erfindung aus.“

Die Dresdner pulten die Zutaten aus dem Original, guckten alles ab - und backten drauf los. Ohne Ahnung vom Rezept. Die Kopie war zwar nicht ganz so gut wie das Original, aber das Ergebnis konnte sich sehen lassen.

Und bevor sie in Torgau bis drei zählen konnten, schickte ein Verwandter aus Dresden ein Dresdener Früchtebrot nach Torgau. Der Empfänger aber war so platt, dass er fragte „Wie kommt ihr denn an das Rezept vom Stollen?“ „Was für´n Stollen?“ fragten die Dresdner zurück. Sie hatten keine Ahnung, warum die in Torgau zu dem Früchtebrot Stollen sagten, fanden aber, das klingt gut.

„Dresdener Stollen“ murmelte der Marketingchef von Dresden vor sich hin und wusste, das wird ein Hit. Zwei Eigenmarken in einem Namen. Und so klauten die Dresdner nach dem Rezept auch gleich noch den Namen dazu.

Die Torgauer aber waren kurz davor, nicht nur in ihren Original-Stollen, sondern sich selbst auch noch in den Hintern zu beißen. Wie konnte das passieren? Wo war das Loch, durch das die sensiblen Informationen sickern und die Elbe hinunterfließen konnten?

Sie bekamen es nie raus. Aber damit es keinen Ärger mit dem Papst gab, hielten sie lieber den Ball flach und verklagten die Dresdner nicht wegen Produktpiraterie. Sie trösteten sich damit, dass nur das Gute kopiert wird. Ehrlich gesagt, ein schwacher Trost, aber immer noch besser, als den Zorn des Papstes auf sich zu ziehen. Außerdem, falls jetzt jemand beim Papst über Butter im Kuchen meckern sollte, würden die Dresdner über die Klinge springen, nicht die Torgauer. Die behielten auch weiterhin das Rezept im Stollen und backten nur noch für den Eigenbedarf.

Die Jahrhunderte gingen ins Land und kein Schwein verpetzte die Dresdner beim Papst. Der Dresdner Stollen trat seinen Siegeszug über die Weihnachtsmärkte der Welt an und gründete den Reichtum einer Stadt, die so abdrehte, dass sie sich irgendwann sogar für Florenz hielt.

Die Torgauer aber trösteten sich damit, dass ihr Originalrezept viel saftiger und viel haltbarer war als das kommerziell erfolgreiche Plagiat aus dem Tal der Hemmungslosen.

Hier endete Micky Enthüllung. „Warum erzählst du mir das alles?“, fragte ich ihn. „Das bin ich der Wahrheit schuldig“, antwortete er. „Einer muss sie doch ans Licht bringen.“

Micky machte sich keine Illusion darüber, dass er sich als Stollen-Blower in Lebensgefahr begeben würde. „Die Dresdener werden alles dransetzen, dass die Beweise beseitigt werden. Und die Torgauer werden mich hassen, weil ich alte Wunden aufgerissen habe.“

„Aber was soll ich da nun tun?“, wollte ich wissen.
„Du machst doch was mit Medien und Internet und so“, sagte Micky. „Die Welt muss wissen, wo der köstliche Stollen wirklich herkommt.


So, jetzt wisst auch Ihr Bescheid.

Ich habe die Stollen-Papers eingesehen und überprüft. Der Kontakt zu einem Alt-Torgauer Adelsgeschlecht königlichen Geblüts ermöglichte eine zweite, unabhängige Prüfung und Bestätigung zu Mickys Enthüllungen. Was Ihr soeben gelesen habt, entspricht der Wahrheit.

Nach unserem zweiten Treffen ist Micky Kochmaus übrigens abgetaucht. Die letzte Nachricht kam nun aus Pjöngjang, Nordkorea.

Wie ich höre, stellt Dresden einen Auslieferungsantrag. Die Wahrheit hat einen hohen Preis.

Denkt daran, wenn Ihr Euer nächstes Stück Stollen genießt.

Sehr nachdenklich

Eure Kochmaus

 

Treffen mit dem Stollen-Blower

Nach seinem sensationellen Fund in Torgau fürchtet Micky Kochmaus um sein Leben.

Geschichte des Stollen muss umgeschrieben werden

Unabhängige Prüfung durch Kochmaus Investigativ (eingetragenes Warenzeichen) und eine Vertreterin des Alt-Torgauer Königsadels garantieren für die Echtheit der schockierenden Stollen-Papers.

Ein Bild aus besseren Tagen

Vor Mickys Flucht, ein letztes gemeinsames Mahl.

Gejagt!

Ein freies Leben im schönen Nordkorea oder Siechtum im finsteren Zwinger? Dresden fordert die Auslieferung von Micky Kochmaus.

Der einzig Wahre

Käse-Stollen aus Mausepotanien.

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Kommentare

Kommentar von Conni |

So ihr Lieben,

jetzt aber: HA, ha, ha, ha - toll geschrieben die Geschichte mit dem Torgauer Stollen!!!
Das ist ja auch echt ein mysteriöse Sache und bis heute nicht aufgeklärt. Daher kommt sie auch in jedem Dezember wieder auf die Tagesordnung. Hoffen wir mal, dass Kochmaus das Geheimnis doch noch irgendwann aufklären kann. Jetzt hat es runde 500 Jahre gedauert, da kommt es auf ein zwei Jährchen im Exil nicht an. Ich lade euch heute schon im nächsten Dezember nach Torgau zur Verkostung ein. ;-)

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