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Aus der Zeit gefallen

von (Kommentare: 2)

Kakadu National Park

Auf dem Kakadu Highway geht es in ein Land, dessen Fläche in etwa so gross ist wie die von Hessen. Wir hatten keine richtige Vorstellung von dem, was uns hier erwarten würde.

Es wird noch eine Weile brauchen, um all die Eindrücke der vergangenen 4 Tage zu verarbeiten und einzuordnen. Zu viel, in zu kurzer Zeit. Wie will es ein Menschenkind, das gerade mal 6 Jahrzehnte zählt, auch aufnehmen, mit einer Landschaft, die sich seit 50.000 Jahren nur wenig verändert hat.

Wir bekommen eine ganz wage Idee davon, warum die Aborigines den Begriff und das Verständnis für Zeit nicht kennen. Jahrtausende lang lebten sie ohne Begriffe für „gestern“ oder „morgen“. Sie führten keinen Ackerbau und sie legten keine Vorräte an. Sie nahmen aus der Natur, was sie im Augenblick benötigten, um satt zu werden. Ewig hat sich daran nichts geändert.

Wir modernen Menschen kommen erst ganz langsam - und wahrscheinlich viel zu spät - zu der Erkenntnis, dass es Fortschritt und Wohlstand gibt, die sich nicht allein am Bruttosozialprodukt oder an Wachstumszahlen messen lassen. Vor diesem Hintergrund ist es noch beschämender zu sehen, welches Leid und Elend der weisse Mann einst auch hier über die „Primitiven“ gebracht hat. Der Fortschritt unserer Kultur bestand vor allem darin, Jahrtausende funktionierende natürliche Gleichgewichte - inklusive darin lebender Menschen - aus dem Lot zu bringen oder sogar komplett auszulöschen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es heute die modernen Errungenschaften sind, die es den Aborigines ermöglichen, den Umständen angepasst, zu überleben. Ohne fliessendes Wasser oder Strom (Klimaanlage) würden es nur hart gesottene Besucher hier aushalten. Aber gerade der Tourismus ist eine der Quellen für wirtschaftliche Unabhängigkeit.

Je länger wir uns hier aufhalten, desto bemerkenswerter erleben wir das, was wir zunächst wie selbstverständlich genutzt haben und keine Erwähnung wert schien. Allein die Zuwegung, schlichte aber gut in Schuss gehaltene Strassen, die extremer Hitze ebenso standhalten müssen, wie Wassermassen, durch die man spielend ein U-Boot steuern könnte.

Es ist eine dünne Versorgungslinie, die den Park mit dem Rest der Welt verbindet. Wie eine Blutbahn aus Asphalt legt sie sich über die ursprünglich Landschaft, die sie dabei nicht beeinträchtigt oder zerstört. In grossen Abständen finden sich Park- und Rastgelegenheiten. In deren Inneren kommen wir uns vor wie in vorzeitlichen Höhlen, oder Kulissen aus einem Tarantino-Film. Frittenfett, Bier- und Kaffeeausdünstungen werden bis in die letzten Winkel des Etablissements verteilt, durch ein paar lendenlahme Ventilatoren, die beängstigend instabil unter der Decke kreiseln.

Auf dem Weg zurück nach Darwin begegnen wir erneut etlichen Strassenkreuzen, die uns bereits auf der Herfahrt aufgefallen sind. Sie gedenken der Menschen, die hier auf dem Highway den Tod gefunden haben. Die kleine Frau auf dem Beifahrersitz mahnt zur Vorsicht auf einer Strasse, die uns allein zu gehören scheint. Mir geht die Frage nicht mehr aus dem Kopf, wieviele Besucher pro Jahr im Kakadu National Park durch Krokodile ihr Leben verlieren und wieviele durch ihren fahrbaren Untersatz.

Wohlbehalten erreichen wir Darwin und freuen uns über die gemässigten 38 Grad Aussentemperatur.

Nur Kochmaus hat Bauchgrummeln. Wahrscheinlich hat sie in den letzten Tagen wieder irgendwas Seltsames in den Mund genommen. Sie lernt es einfach nicht.

 

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Kommentare

Kommentar von Martina |

Eure Seite ist wirklich grandios und die Bilder wunderbar! Hier ist es grau in grau - so wirken die Bilder in ihrer Farbigkeit noch ergreifender. Übrigens: vor 20 Jahren fanden wir es sensationell, dass es in den Ballungszentren in Australien möglich war, mit dem Händi nach Deutschland anzurufen. Heute ist es merkwürdig, keinen Empfang zu haben. Allerdings muss man dazu nicht nach Australien, da reicht schon ein Ausflug nach Brandenburg. Am Wochende gabs die Meldung, dass Deutschland beim Netzausbau noch hinter Kaschstan und Albanien liegt!

Kommentar von Peter |

Vielen Dank Martina,
und in der Tat bekommt man auf Reisen ganz gut mit, wo und wie wir in Deutschland eigentlich so stehen. Meine Erfahrung und mein Eindruck ist bereits seit langem, dass wir in vielerlei Hinsicht etlichen - vermeintlich unbedeutenden - Ländern hinterher hinken wie ein Einbeiniger ohne Krücken. Vor allem Asien wird uns anhängen, dass uns hören und sehen vergeht.
Lg peter

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