Amazonas
von Peter Schäfer (Kommentare: 2)
Mit unseren gängigen Vorstellungen von einem Fluss stimmt der Amazonas nur in einer Hinsicht überein: er führt Wasser. Das war es dann aber schon so ziemlich. Das Wasser des Amazonas fließt nämlich nicht einfach in einem Flussbett, das von Ufern begrenzt ist, vor sich hin. Es überschwemmt für viele Monate im Jahr den Dschungel rechts und links der Hauptströmung auf einer Fläche, die bis zu 100 Kilometer breit sein kann. Während der Regenzeit kann der Fluss um 20 Meter steigen.
Wer hier vom Amazonas redet, meint Wasserlandschaft.
Die Dimensionen dieses Stromes sind kaum vorstellbar: Nach Schätzungen speisen 100.000 Nebenflüsse den Amazonas. Von denen sind über 1.000 größere Flüsse. Davon wiederum würden zehn, jeder für sich genommen, aufgrund der Länge und der Wassermenge den Rhein in den Schatten stellen.
Der Amazonas fließt fast durch den ganzen südamerikanischen Kontinent und bildet das größte Flusssystem der Erde. Das Amazonasgebiet ist weit größer als die Fläche Europas. Ein gigantisches Flusssystem unglaublichen Ausmaßes.
Der Hauptstrom dient als logistische Hauptschlagader für all die Menschen, die sich entlang des Wassers angesiedelt haben. Quasi ein feuchter Dschungel-Highway: breit, hohe Strömungsgeschwindigkeit, von Sedimenten braun gefärbtes Wasser.
Wie bei uns zu Hause, finden sich die landschaftlich interessanteren Routen aber meistens abseits der Rennstrecken. So auch hier. Die Hanseatic ist dank ihrer Größe und Beschaffenheit geeignet, hier und da abzubiegen, haltzumachen und uns Orten näherzubringen, von denen nicht einmal Google etwas weiß. Wenn auch unser Mutterschiff nicht mehr weiterkommt, steigen wir um in Schlauchboote, oder wie sie hier genannt werden: Zodiacs.
In diesen kleinen, robusten und wendigen Booten überwinden wir die letzten Meter, um so nah wie möglich an die Natur und die Menschen am Fluss zu gelangen.
Nachdem wir aus den Breves-Kanälen in den Amazonas abgebogen sind, ist unser erster Stopp am Rio Picurri. Eine morgendliche Rundfahrt in einige Creeks, die nur dünn besiedelt sind und in denen wir ein bisschen Regenwald für Anfänger schnuppern dürfen. Zu sehen gibt es vor allem Grünes. In Pflanzenform. Die Tierwelt ist hier zwar auch vorhanden aber für uns auf den ersten Blick nicht immer sofort erkennbar. Insekten, Schmetterlinge, Vögel. Kämpfende Kaimane oder anschmiegsame Anakondas sehen wir nicht. Schade. Aber die Reise fängt ja gerade erst an. Zur Einstimmung und zum Üben der Abläufe für den Zodiac-Betrieb ist es jedenfalls ein schöner Einstieg.
Rio Pucurii
Nach kurzer Weiterfahrt erreichen wir am Mittag die Ansiedlung Gurupá. Ein Ort, dem wir auch nach der Durchwanderung nicht ansehen, dass er über 30.000 Einwohner beheimaten soll. Da bereits in den Breves-Kanälen unser (uninformiertes, naives) Bild von diesem Teil der Erde zu bröckeln begonnen hat, setzt sich dieser Lernprozess auch an diesem Ort fort.
Das Interesse und die Neugier beruhen dabei auf Gegenseitigkeit. Nicht allzu oft machen hier Besucher aus fremden Ländern halt. Die Begegnungen sind durchweg freundlich und respektvoll. Kein Wunder, denn die Menschen in diesem abgelegenen Teil der Welt teilen mit uns die gleichen Interessen und Bedürfnisse: Arbeit für ein bisschen Wohlstand und zur Ablenkung etwas Unterhaltung. Eventuelle Unterschiede im Detail sind der Geografie und dem Klima geschuldet.
Nach der kurzen Visite ist es für uns jedenfalls gar nicht mehr so unvorstellbar, dass Menschen hier ein erfülltes und glückliches Leben leben können. Irritierend für uns Bio-Deutsche ist höchstens die Erkenntnis, dass dies alles möglich ist, ohne sich einer preußischen Ordnung oder Versicherungsmentalität zu unterwerfen.
Wir sehen nicht einen einzigen unter den zahlreichen Motorradfahrern, der einen Helm trägt. Dafür zahlreiche Mitfahrer, die mit aufgespannten Schirmen die Köpfe der Zweiradfahrer vor der brennenden Sonne schützen. Und statt für Motorradstiefel fällt die Wahl hier zwischen Barfuß und Flipflops.
Wenn das unser Verkehrsminister sehen würde. Oder der Gesundheitsminister. Da könnte sich die brasilianische Regierung aber auf ein paar unerwünschte Ratschläge aus Berlin gefasst machen. Au weia!
Kommentare
Kommentar von Elke Beerhalter |
Großartige Reiseberichte, danke! Ich lese täglich und kann so mitlernen.
Kommentar von Peter Schaefer |
Vielen Dank fürs Mitlesen! Wir werden selbst jeden Tag aufs Neue erschlagen von all den vielen und unterschiedlichen Eindrücken.
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