Am Ende war die Regenjacke
von Simone Keil (Kommentare: 4)
Zur Pflicht einer guten Ehefrau gehört (meiner Ansicht nach) immer ein prüfender Blick auf den Ehemann, ob man ihn so rumlaufen lassen kann oder ob man besser in die optische Erscheinung des Gatten eingreifen muss. Schließlich denke ich selbst beim Anblick von komisch angezogenen Männern oft: „Hat der keine Frau, die auf ihn achtet?“
Somit ist eine meiner Hauptaufgaben, den Gatten mit gutsitzender Kleidung, die äußere Hülle mit gutwirkender Kosmetik und die ehemännliche Erscheinung mit angemessenen Pflegemaßnahmen zu einem passablen Gesamtbild zu vereinen. Und alles mit liebendem Blick zu überprüfen, bevor sich der Haushaltsvorstand in die Öffentlichkeit begibt.
Nun gab und gibt es immer wieder einige Kleidungsstücke, an denen der Ehemann den Aufstand übt. Mit Scheidung droht. Weint. Sich dran klammert. Oder sich verweigert. Nicht mitmacht. Sich bockbeinig anstellt. Und so weiter und so fort....
So finde ich zum Beispiel, dass dem Gatten blau-weiß-gestreifte T-Shirts ausgesprochen gut stehen. Er hat einige davon (natürlich von mir geschenkt bekommen), und ich zwinge ihn höchstens im Urlaub an der See ein bisschen, sie hin und wieder anzuziehen. Ich liebe es, wenn er mit verwegenem Blick wie Käpt’n Blaubär aussieht und mein Herz mit dem Blick eines frechen Matrosen erweicht. Er selbst zieht die bloß mir zuliebe an und jammert schon, wenn wir am Urlaubsort den Koffer auspacken und er die Streifenhörnchen-Ware erblickt. „Wo kommt das denn her?!“, jault er angewidert und legt diese Sachen im Schrank weit hinten hin. „Das gehört mir nicht!“, sagt er, und schiebt den Streifenlook in den Koffer zurück.
Doch zurück zum Thema „Sylt“: Nun kam bei der kleidungstechnischen Vorbereitung des Urlaubs hinzu, dass der Ehemann nicht im Besitz einer vernünftigen Regenjacke war. Schon beim letzten Rolling Stones-Konzert löste er das Problem, indem er einem Straßenreiniger für 10 Euro zwei Mülltüten abkaufte.
Ich fühlte mich also genötigt, auch dieses Problem für ihn zu lösen. Sonst rennt er in Jeansjacke am Nordsee-Strand umher. Höchstens noch mit seiner Allzweckwaffe, der GoJump-Jacke, obendrüber. Oder untendrunter. Und einem Schirm im wasserdichten Rucksack, FALLS das Fotozeug noch Platz dafür lässt.
Spätestens vor diesem Urlaub habe ich also beschlossen, dass der Mann eine ordentliche Regenjacke benötigt. Da er sich permanent weigerte, für diesen unnützen Quatsch mit mir in einen Kaufladen zu gehen, musste ich hierzu das Internet bemühen. Nach tagelangen Fachstudien und dem Einlesen in die Problematik bestellte ich eine Jacke, die der Gatte mit Verachtung strafte und nach der ersten Anprobe stumm in die Verpackung zurücklegte. Diskussion beendet. Die sehe zu sehr nach Regenwetter aus. Er sei doch kein Weichei. Auf gar keinen Fall werde er die jemals brauchen, anziehen schon gar nicht.
Betrübt schickte ich die Jacke zurück und bestellte (nach seinen kritischen Hinweisen!) eine weitere. Und was soll ich sagen: Die zog er immerhin zur Anprobe an und ging damit bis zum Spiegel. Dann sagte er erschöpft, was er immer sagt, wenn ich ihm was Neues auf den Leib zerre: „Ich kanns tragen!“
Die Jacke stand ihm ausgesprochen gut, hatte keine unnützen „Sperenzchen“ und wirkte sehr hochwertig. Sie war nicht zu warm und nicht zu kalt. Es war eine gute Regenjacke einer international bekannten Markenfirma. Der Graue zog sie aus, sagte „ja, ja ...“, drückte sie mir wieder in die Hand und setzte sich an den Schreibtisch. Thema erledigt.
Ich schlich aus dem Zimmer und beschloss, ihm diese Jacke zum Geburtstag zu offerieren. So schmuggelte ich sie in den Sylt-Koffer und legte sie mit liebevollem Blick auf den Geburtstagstisch in der Ferienwohnung.
„Wo kommt die denn her?!“, jammerte der Graue beim Auspacken des Geschenkes - und war erstaunt, dass die Jacke ihm passte. Dass er sie Wochen zuvor schon anprobiert hatte, war ihm zum Glück vollkommen entfallen. Ich zeigte nur stumm auf das Wetter draußen und zuckte die Schultern. Die Wolken jagten am Himmel entlang, es regnete - und hörte nicht auf.
Ohne Diskussion zog der Graue also am Tag nach dem Geburtstag die Regenjacke an. Obwohl es gerade seit 10 Minuten nicht regnete. Wir nutzten den Moment und verließen das Haus.
Stunden später kehrten wir zurück in die Wohnung. Draußen war der Regen inzwischen zu einem mittelschweren Sturm angewachsen. Der Graue war nass bis auf die Haut. Er zog die Regenjacke aus und gab sie mir stumm. Sie wog inzwischen ca. 20 Kilo mehr und war nicht nur nass. Sie war tropfnass. Außen. Und innen. Man konnte sie sozusagen auswringen. Bis aufs Schild „wasserabweisend“.
Die Klamotten, die der Graue drunter getragen hatte, waren ebenso nass. Nur seine Fotoausrüstung, die er im regenfesten Rucksack getragen hatte, hatte trocken überlebt. Er zog sich in der Dusche aus und schüttelte sich den Sand aus der Unterhose. Stumm schlüpfte er in ein trockenes gestreiftes T-Shirt und pfiff „Drunken Sailor“ vor sich hin.
Die Regenjacke hängt seit dem in der Dusche und tropft. Und draußen regnet es wieder. Oder immer noch.
Kommentare
Kommentar von Roya Ahmadi |
Regenabweisend ungleich Regenfest…. Das wissen aber nur Norddeutsche Kinder
Kommentar von Simone Keil |
…. Und wir JETZT AUCH…
Kommentar von Problemcousine |
Das Ihr typisches norddeutschen Schietwetter habt, tut mir für Euren Urlaub leid. Aber die Arbeit am Blog wird vorangetrieben- ein positives Ergebnis der Wetterkapriolen. Ausserdem kann man sich überlegen, ob der Besuch bei gutem Wetter wiederholt werden sollte. Allein um die verregneten Eindrücken in sonnigem Licht anzuschauen. Grüße aus dem " nicht" Echten Norden.
Kommentar von Kerstin Giese |
Das sieht eine norddeutsche Pflanze auf den ersten Blick, dass das keine Regenjacke ist...Da müssen doch auch die Nähte verschweisst sein...Beim Neukauf stehe ich gern beratend zur Seite
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